Es war ein schöner Junitag, als der Pflegling des seligen Pförtners zum Priester geweiht wurde. Die Sonne schien strahlend durch die gotischen Fenster auf die flackernden Wachskerzen, auf die duftigen, um Säulen und Altar ge¬ wundenen Blumen und auf die festlich geschmückten Andächtigen. Vom Chore brausten die Orgeltöne zum feierlichen Hochamt. Am Altar stand Johannes mit festlichem Purpur angetan und aus voller Brust das Tantum ergo an¬ stimmend. 2 # 7 7 20 6 7 pee 4. V % 8 Z. 2 4 2 # N 4 M — □ 22 + —— 4 Das Hochamt war zu Ende und Johannes schritt durch die dichtgedrängten Reihen der Gläubigen, die auf die Knie sanken, um den Segen des neugeweih¬ ten Priesters zu empfangen. Unter ihnen stand eine liebliche Jungfrau, dunkel¬ braune Locken umflossen ihr bleiches Antlitz, aus dem blaue Augen hervor¬ ahen, wie Veilchen aus dem Märzenschnee. Als er ihr die Hand auf das schöne Haupt legte, da zitterte diese, und als sie das Auge, das sie vorher de¬ mütig gesenkt hatte, nun zu ihm emporschlug, da wankte er fort. Wie ein Träumender hörte er die Glückwünsche der Mitbrüder an. Betäubt und müde gelangte er endlich in seine Zelle. Er warf sich auf sein einsames Lager, aber er konnte nicht schlafen; er stand wieder auf, griff nach einem alten Buche und wollte ruhig lesen, aber die Buchstaben tanzten vor seinem Auge. Da versuchte er zu beten und kniete nieder vor dem Bilde des Gekreuzigten in seiner Zelle. Aber die Dornenkrone gestaltete sich zur bräutlichen Myrthenkrone, das bleiche, blutige Haupt des Erlösers ward zum lieblichen Engelsantlitz des Mädchens aus der Kloster¬ kirche. Er sah sich in der großen Welt, das Haupt geschmückt mit blitzendem Helm und wallender Feder, den Dank erkämpfend im Turniere, den ihm das schöne Mädchen reichte. Aber der melancholische Schlag der Klosterglocke brachte ihn wieder zur Besinnung und er warf sich auf sein Lager. So zog die Nacht vorbei und grau dämmerte der Tag im Osten. Da erhob sich Johannes von seinem schlummerlosen Kissen und schritt hinüber durch den düsteren Kreuzgang auf den Chor. Noch hatte die Glocke nicht zur Hora ge¬ rufen und still und feierlich war es in der Kirche. Mit gefalteten Händen und 84
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