82 Gruppenleiter Rosenschein gab dieses Schreiben zur weiteren Behandlung, insbesondere zur Anweisung des Begräbnisgeldes an die Hinterbliebenen der Erfrorenen, an die entsprechende Fachabteilung ungesäumt weiter. Dann be¬ schloß er, das Ansuchen der Station Elendshausen=Pimpfdorf um endliche Bei¬ stellung eines neuen Ofentürls ehetunlichst zu erledigen. Ueber seine Inter¬ vention fuhr am nächsten Tage ein Erhebungsorgan nach Elendshausen¬ Pimpfdorf und nahm sowohl mit dem Stationsarbeiter Ploderl als auch mit dem Vorstand Emmentaler und Fahrdienstleiter Wurzer längere Protokolle auf. Das Erhebungsorgan veranlaßte ferner, da die Hinterbliebenen der im Wartesaal erfrorenen Kanzlistenswitwe Schadenersatzansprüche gestellt hatten, die Exhumierung und gerichtsärztliche Obduktion der Leiche und vernahm den Ortsbürgermeister, den Feuerwehrkommandanten und sechs Privatpersonen. Im weiteren Verlauf dieser Angelegenheit erstattete die Verkehrsabteilung einen ausführlichen Bericht an die Zentraldirektion, der von dieser nach drei¬ monatiger Behandlung über Intervention eines namhaften Politikers der Materialbeschaffungsdirektion abgetreten wurde. Die Bahnhofleitung Elendshausen=Pimpfdorf hatte schon im Februar der Direktion eine Schachtel als Dienstpost eingesandt, die nebst einem abgefrorenen Daumen des Stationsarbeiters Ploderl und dem linken Ohr des Fahrdienst¬ leiters die dringende Bitte um endliche Beistellung eines Ofentürls enthielt. Die Verkehrsabteilung sandte Ohr und Daumen urschriftlich an die Dienststelle zurück und berichtete dem Vorstand, daß der in Frage stehende Akt zwecks Er¬ ledigung an die Zentraldirektion abgetreten worden sei. Als Vorstand Emmen¬ taler dies las, küßte er Weib und Kind, begab sich in das Gütermagazin und erhängte sich dort an einem Dachsparren. Sein Sohn aber, der in diesem traurigen Zeitpunkt neun Jahre alt war, tat am Grabe seines Vaters den Schwur, nicht eher zu ruhen, bis seines Vaters letzter Wunsch erfüllt sei. Er trat aus der Schule aus, kam zu einem Schlosser¬ meister in die Lehre und arbeitete drei volle Jahre zur Zufriedenheit seines Meisters. Als Gesellenstück aber fertigte er am Ende seiner Lehrzeit ein chmiedeeisernes Ofentürl an, trug es tränenden Auges zur Station und hing es an den Ofen, der all die Jahre einsam, vergessen und unbrauchbar gestanden hatte. Am nächsten Tag erhielt Vorstand Dominik Wurzer von seiner Direktion den Auftrag, den beschädigten Ofen ehetunlichst an die Hauptwerkstätte zwecks Reparatur einzusenden. J. & E. Sidenberger Mehl-, Landesprodukten¬ 12 und Satz - Großhandlung Steyr, Stadtplatz 11, Ruf 89, Postsparkassenkonto 101969
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