der Felder, die den Fleiß gelohnt, beim Abschiednehmen von den Gräbern der Lieben war schon manche Träne über die Wangen gekollert. Gemeinsam erfolgte der Aufbruch. Das ganze Dorf begleitete die Aus¬ wanderer. Nur halblaut wurde gesprochen, das Schluchzen mit dem Vortuch oder dem Taschentuch gedämpft. Der Waldbauer und die Plona gingen als die letzten im Zuge. Die Großbauerntochter war seit aller Frühe nicht zu sehen gewesen. Heini hatte sie, des Abschiedes wegen, mehrmals gesucht und sie nicht zu Gesicht be¬ kommen. Dies lag wie ein zentnerschwerer Stein in dem Herzen, das Eva, trotz aller Ableugnung, noch ausfüllte. Plona war blaß wie eine frischgetünchte Wand und sprach gar nichts. Der lange Zug der Auswanderer war beim Stationsgebäude angelangt. Die Signalglocke hatte schon den Zug gemeldet, nur mehr kurze Minuten blieben für letzte Abschiedsworte übrig. Leise glitten die Zähren über Plonas Wangen und sickerten in den Boden. Ihre Hände, die Heini krampfhaft in den seinen hielt, zitterten und in den Mundwinkeln wühlte die Herbe der Abschiedsstunde. Auf einmal sagte sie bestimmt: „Heini, i geh' nit mit!“ Der glaubte falsch gehört zu haben. „Um Gottes Willen, Plona!“ schrie er auf. „I hab di lieb, Heini, glaub' es mir, mehr als mi selbst. „Möcht gern dei' Weib werd'n. Aber die Heimat verlass'n, dös bring' i nit zustand'.“ Der junge Bauer raufte seine Haare. „Sei g’scheit, Plona, i bitt di, sei g'scheit, bleib da!“ Ein Pfiff gellte, ein Rasseln pflanzte sich auf den Schienen fort. Der alte Waldhauser zupfte seinen Sohn an der Jacke. „Dummer Bua, den Zug wirst versäumen.“ Der Zusinger stürmte heran. Er merkte, um was es sich handle. Sei kein Kind, Waldhauser, geh'!“ drängte er. Leise sagte er: „Sie hat di nie gern g’habt, weil sie di im letzten Abdruck im Stich lass'n kann. Wegen nix und wieder nix. Der Zug brauste ein. Zusinger und der Alte schoben Heini fast wider seinen Willen durch den Menschenknäuel. Nochmals versuchte der junge Waldhauser Plona umzustimmen: „Plona, komm doch, komm!“ Das Mädchen weinte heftig, schüttelte den Kopf und winkte mit der Hand. Das war ihr Abschied. Ein flüchtiges Händedrücken noch, ein Winken, ein Herausbeugen und die Auswanderer rollten neuem Geschick entgegen. Im allgemeinen Abschiedsrummel hatte niemand bemerkt, daß der Stoffel vom Oberhupfunterbauer mit einem jungen, bartlosen Geschöpf in Mannes¬ kleidung sich zum Schalter gedrängt, dort zwei Karten gelöst hatte und mit seinem Begleiter ganz schnell rückwärts eingestiegen war, wo keine Duster¬ bacher saßen. Dem Oberhupfunter fehlte am Abend die Tochter. In ihrem Kämmerchen fand er einen Zettel, auf welchem Eva um Verzeihung bat, daß sie mit dem Heini nach Amerika gefahren sei, weil sie ihn nicht lassen könne. Den Stoffel habe sie zur Begleitung bis Hamburg mitgenommen, damit ihr nichts Un¬ rechtes zustoße während der Fahrt. Von dem Tage an war der Oberhupfunter wie verwandelt. Er wurde mildtätig, sein Herz hatte die Eiskruste gesprengt. Der harte Schlag, daß ihm sein Kind entlaufen war, hatte es zum Schmelzen gebracht. Die „Atlantis“ lag im Hamburger Hafen zur Aufnahme von Amerika¬ reisenden bereit. Das letzte Passagiergepäck und Poststücke wurden verladen. An der Ecke eines Zollgebäudes standen ein ländlich gekleidetes Mädchen und ein Bauernbursche. „Stoffel“, hub die Jungfrau an, „sie sind schon alle auf dem Schiff, der Heini auch. Die Burschenkleider nimm mit. G’hört alles dir, wenn du's brauchen kannst. Grüß mir den Vater und red' ihm ein, er soll nit 77
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