„Mutter Veronika, Ihr! — „Freilich bin i's samt meiner Bürde Holz. Mei, dös schleppt sich nit so schwer, wia was anders. Sie zeigte auf die Seite, wo das Herz sitzt. „Sag' mir nix, Dirndel, sag' nix. Weiß alles. Er geht fort, du bleibst da. Du magst ihn, er di nimmer recht. Dos is a Kreuz. Aber i wüßt ein Mittel, ein gutes Mittel. Die schöne Dusterbacherin stand mit einem Rucke auf, das Mütterchen, schön langsam, tat desgleichen. „Helfen kann „Mutter Veronika, wenn Ihr mir helfen könnt', helft!“ — i schon. Es geht nit glei' so. Da mußt vor allererst Zutrauen hab'n, Dirndel, viel Zutrauen. Zum heiligen Christoph nämlich. Nachher mußt alles tun, was i dir sag'. So hör' denn auf und vergiß nix“ sagte die Dorfarme, indem sie die Hand ihrer Zuhörerin ergriff. „Die Alten erzähl'n, wie i dir jetzt. Nit anders. Hat jemand ein Anliegen, so geht er an einen einschichtigen Ort und ruft kniend den heiligen Christoph an. Sagt eahm nachher sein' Wunsch und betet dreihundert Vaterunser hintereinand, mit nüchternem Magen, ohne ein einzig Amen. Dö müssen ausbleib'n. Bringt wer dös z'samm, so geht sei Wunsch in Erfüllung. Jeder! Der Christoph hilft. Er kann häufig viel wirken. Weißt ja eh, daß keiner an dem Tag stirbt, an dem er ein Christophbild g'sehen — hat. „Ihr meint also, Mutter Vevonika, i soll 's mit den dreihundert Vaterunsern versuch'n.“ * „Freilich, freilich mein' i's so, Eva. Sie gingen zusammen in das Dorf. Tag um Tag sperrte sich hierauf Eva in ihre Kammer ein. Ihr Vater, der Oberhupfunter, war dreimal verheiratet gewesen und hatte alle drei Frauen begraben. Er war ein verschlossener, wort¬ karger Mann. Im Gemeindeleben stiftete er wenig Gutes, er war aber auch kein Aussauger. Seinen Stolz bildeten die Ochsen. Sein einziges Kind, der ersten Ehe entstammt, blieb ohne Vaterliebe, der vollbesetzte Stall stand ihm höher als Evas Neigungen. Ungeachtet dessen schätzte er ihren Wert als seine Erbin nicht gering ein. Der Groll, daß er keinen Buben hatte, dämpfte die Liebe zur Tochter. Der Oberhupfunter hätte den Zusinger zum Schwiegersohn gewollt; von dem wollte aber Eva nichts wissen. Der Großbauer aber nichts von Heini. Nach seiner Meinung war der ein Mitgiftjäger; auch fehlte ihm das glatte Benehmen und der Geschäftsblick des Zusinger. So nahmen die Verstimmungen auf dem Oberhupfunter=Hof kein Ende. Sogar dem Bauer fiel es auf, daß Eva mit einemmale fast alle Arbeit aufgab, blaß und blässer wurde. Er konnte es nicht erraten, daß sie auf den Knien lag, fastete und betete. Zum heiligen Christoph, des Heini wegen. Ihre Gebetsmeinung war die: Heini solle in Dusterbach bleiben und Oberhupfunter¬ Bauer werden und sie gern haben. Wie sie sich auch plagte, es ging ihr nicht zusammen. Am letzten Freitag war sie schon im zweihundertachtzigsten Vaterunser, als ihr ein Amen durch¬ rutschte. Wieder war nichts! Samstag sollte der Heini mit dem Nachmittagszug in die Neue Welt abdampfen. Die Plona hatte ihrem Dienstgeber, dem Oberförster, gekündigt. Am Abend des Freitag ging sie noch auf den Friedhof, wo zwei Hügel neben¬ einander ihr Elternpaar deckten. Die Haltestelle der Bahn war im Nachbarorte, eine gute Stunde von Dusterbach entlegen. Nicht oft waren dort so viele Leute zusammengekommen als an jenem Samstag. Es waren noch nie so viele aus dem Dustertale fort¬ gezogen, um sich eine neue Heimat zu suchen. Weiber, Kinder, Greise, nicht nur arbeitskräftige Männer. Die Hoffnung auf künftiges Glück malte auf die Wangen der Jungen und Alten das Rot guter Erwartung. Beim Einpacken der notdürftigen Sachen, beim Feilbieten lieb gewordener Gegenstände und jener Geräte, an denen so mancher Schweißtropfen klebte, deren Griff so manche Schwiele der Hand poliert hatte, beim letzten Anschauen 76
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