Der Heini mußte zwei Herzen haben, es konnte doch nicht anders sein. Zwei Dirnlein, die er beide gleich lieb hatte und deren jede ihn ausschließlich für sich haben wollte, konnten nicht in einem Herzen untergebracht werden. Auch wenn er justament die eine scheinbar in dem Augenblick ganz vergaß, da er an die andere dachte, ging es nicht ohne Unruhe in dem Gefühlsladen des Menschen mit derart zerklüfteten Neigungen zu. Keine wollte er auf Kosten der anderen verlieren, keine ohne die andere besitzen. Wenn er daran dachte, wurde es ihm brennheiß ungemütlich zumute. Einen Ausweg ersah er nicht. Beide oder keine. Mit beiden ging es nicht, daher keine! Er beschloß, nach Amerika auszuwandern. Die goldene Fabel von dem Lande, wo Milch und Honig fließt, wir schreiben das Jahr 1890, spukte in den Sinnen der Leute, die nur zu gerne heimische Verhältnisse gering schätzen, zu ungewissen Weiten aber die Regenbogenbrücke voll zerstäubender Farben der Hoffnung bauen. Auch aus unserem weltfernen Dorfe waren vorerst einige, dann immer neue Heimatmüde fortgezogen. Einzelne derselben kamen zurück mit ziemlich leeren Händen, aber den Mund mit Uebertreibungen vollgestopft. Waldhausers Heini wollte dem Zwiespalt des eigenen Ich entfliehen, die beiden Herzen, die ihm in so jugendfrischen Mädchenkörpern schlugen, er¬ barmungslos zurücklassen und, aller Liebesqualen ledig, jenseits des Welt¬ meeres ein neues Glück suchen. Wie gerne hätte er die arme, verwaiste Plona zur Waldhauserin gemacht, schon um ihr die Sorgen und die Arbeitsbürde als Wirtschafterin bei einem alten, gichtkranken Oberförster abzunehmen. Wenn nicht Eva gewesen wäre! Und wie stolz wäre er gewesen, des Oberhupfunter¬ Bauers einziges Kind sich treu ergeben zu wissen, wenn nicht die Plona ge¬ wesen wäre. Sobald eine von den beiden Anwandlungen von Eifersucht hatte und ihn der Treulosigkeit zieh, mußte er sie seiner vollkommenen Gleichgültigkeit für die Rivalin versichern. Was Plona zart andeutete, gab Eva in rescherer Art zu verstehen: daß er auf der Gegenseite ohne Hinterhalt brechen müsse. Des Bleibens war nicht mehr. Also der Heimat den Rücken gekehrt. Für das Häuschen am Waldrande war bald ein Käufer gefunden. Der betagte Vater ging mit, wenn auch erst nach langem Bedenken — und nichts hielt den Zwiespältigen mehr an die Väterscholle. In seinem Entschlusse hatte ihn ein Mann bestärkt, der bereits in Amerika gewesen war und sich seit ungefähr drei Jahren in — unserem Dorfe wir wollen es Dusterbach nennen — ansässig gemacht hatte. Rochus Zusingerwar kein Sohn des Alpenlandes. Im nördlichen Böhmen war er in einem In¬ dustrieorte aufgewachsen und hatte, obgleich er nicht einmal die Mitte der Dreißigerjahre überschritten, ein unstetes Leben hinter sich. Nach seiner Rück¬ kehr von Uebersee hatte er in Dusterbach ein kleines Anwesen erstanden. Holz¬ handel und geschickte Ausnützung der Geldverlegenheit mehrerer im Rechnen, Schreiben und Lesen nicht bewanderter Dorfbewohner schafften ihm gute Ein¬ künfte. Klug seinen Vorteil erspähend, drängte er sich in die geheimsten Fa¬ milienangelegenheiten, gab sich als der hilfsbereite Unentbehrliche und gewann dadurch an Macht. Der Oberhupfunter allerdings hatte ihm die Eva abge¬ schlagen, als er um ihre Hand anhalten gekommen war. So war es aber bei dieser Werbung schon vielen Burschen ergangen, daß es beim Zusinger gar nicht auffiel, wenn er auch seinen Korb heimzuschleppen hatte. Zähneknirschend tat er es, aber seine Rachegedanken flogen weit. Als Waldhausers Heini umso¬ mehr in der Gunst der Bauerntochter stieg, je weniger diese einer Wett¬ bewerberin weichen wollte, verstand der Abgewiesene mit dem Bevorzugten geschickt Bekanntschaft zu schließen. Er wurde sein Berater, obschon Heini nicht blindlings vertraute. Nun er diesen zur Auswanderung bereit und Eva schon dem Spott einer Sitzengelassenen preisgegeben sah, hoffte er den willkomme¬ nen Retter spielen zu können. Unausgesetzt lag er dem jungen Besitzer in den 74
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