stand ein Weib, das schon sehr alt und gebückt war und das im Gesicht schier o blaß und faltenreich aussah wie das grobe Nachtkleid, in das es gehüllt stand. Dieses Weib stieß, als wir eintraten, einige juchzende Töne aus, hub dann heftig zu lachen an und verbarg sich hinter dem Herde. „Das ist die Drachenbinderin“, sagte mein Begleiter, „sie wird gleich zu dir reden, setze dich dieweilen auf den Schemel da neben dem Bett und tue deine Schuhe wieder an!“ Ich tat es und er setzte sich daneben auf einen Holzblock. Als das Weib still geworden war, trippelte es am Herd herum und bald brachte es uns in einer Tonschüssel eine graue, dampfende Mehlsuppe und zwei bei¬ nerne Löffel dazu. Mein Mann aß würdevoll und beharrlich, mir wollte es nicht recht munden. Zuletzt stand der Knecht auf und sagte leise zu mir: „Schlaf wohl, du Waldbauernbub!“ und ging davon. Und als ich in der schwülen Stube allein war mit dem schlummernden Kinde und dem alten Weibe, da hub es mir schon an, recht unheimlich zu wer¬ den. Doch nun trat die Drachenbinderin heran, legte ihre leichte, hagere Hand an meine Wange und sagte: „Dank dir Gott, unser lieber Herr, daß du zu mir gekommen bist. Es wäret kein halbes Jährlein noch, seit mir meine Tochter ist gestorben. Das da“ — sie deutete auf das Kind — „ist mein junger Zweig, ist ein gar lieber Wurm, wird mein Erbe sein. Und jetzt hör' ich schon wieder den Tod anklopfen an meiner Tür; ich bin alt schon an die achtzig Jahr'. Mein Leblang hab' ich gespart, mein Sargbett will ich mir wohl erbetteln von guter Leute Herzen. Mein Mann ist früh gestorben und hat mir das Drachenbinder¬ häusel, wie es genannt wird, zurückgelassen. Meine Krankheiten haben mich das Häusel wieder gekostet, sind's aber nicht wert gewesen. Was ich hinterlass', ist meinem Enkelkind zu eigen. In sein Herz geht's heut' noch nicht hinein und in die Hand geben kann ich's keinem Menschen. So will ich's schreiben lassen, daß es bewahrt ist. Durch den Schulmeister in Stainz will ich's nicht tun und der Doktor kann's ohne Stempelgeld nicht machen. So haben die Leut' vom Waldbauernbub erzählt, der wär' so hoch gelehrt, daß er auch ohne Stempel einen letzten Willen wüßt' zu schreiben. Und so hab' ich dich den weiten Weg bringen lassen. Morgen tu' mir die Lieb' und heute geh' zur friedsamen Ruh'. Sie geleitete mich mit dem brennenden Span in eine Nebenkammer; die war nur aus Brettern geschlagen. Ein Lager von Heu und eine Decke aus dem dicken Sonntagskleide des Weibes war da und in einem Winkel stand ein so kleiner, brauner Kasten mit zwei Türmchen, in welchen Glocken schrillten, oft wir auf den wankenden Fußboden traten. Die Drachenbinderin steckte den Span in ein Turmfenster, segnete mich mit einem Daumenkreuz und bald dar¬ auf war ich allein in der Kammer. Es war kalt, ich fröstelte vor dem Winter und vor dem Weibe, das meine Gastfrau war; aber noch ehe ich mich ins Nest verkroch, machte ich mit Neu¬ gierde die Tür des Kirchleins auf. Eine Maus huschte heraus, die hatte eben an dem goldpapierenen Altare ihr Nachtmahl gehalten. Es waren Heilige und Englein da und bunte Fähnlein und Kränzlein, ein lieblich Spiel. Ich meinte, das sei gewiß der alten Drachenbinderin ihre Pfarrkirche, weil das Weiblein doch schon viel zu mühselig war, um nach Stanz zum Gottesdienst zu wandern. Ich betete vor dem Kirchlein mein Abendgebet, worin ich den lieben Herrgott bat, mich in dieser Nacht recht zu beschützen; dann löschte ich den Span aus, daß er nicht zu den Turmfenstern hineinbrennen konnte, und legte mich her¬ nach in des lieben Gottes Namen auf das Heu. Mir kam es vor, als wäre ich losgerissen von mir selber und ein gelehrter Schreiber in einem fernen, kalten Hause, während der wahrhaftige Waldbauernbub gewiß daheim in dem war¬ men Nestlein schlummere. Als ich endlich im Einschlafen war, hörte ich drinnen in der Stube wieder das kurz ausgestoßene Juchzen und bald darauf das heftige Lachen. Was ergötzte sie denn so sehr und wen lacht sie aus? Ich fürchtete mich aber der und sann auf Flucht. Ein Standbrett wäre doch leicht ausgehoben — Schnee! 59
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