Vier Jahre waren seither vergangen. Ueber den Flößer Hans war frisch¬ grünes Gras gewachsen, seine Liebste, die Fischer Liesl, hatte sich auch längst getröstet und, um dem ewigen Werben des Italieners, der ihr in tiefster Seele zuwider war, zu entgehen, hatte sie endlich einem lustigen Schneider, der in der Kapelle des nächsten Marktes auch mit Gefühl und Kunst das Flügelhorn blies, die Hand zum Ehebunde gereicht und war bereits Mutter zweier kräf¬ tiger Buben. Das Leben ging seinen gewohnten Hundetrab und alle Jahre zur Zeit, wenn im Gebirge der Schnee schmolz und in den Auen der Erlauf die Hasel¬ kätzchen staubten, wenn die Primeln, Anemonen und Veilchen blühten, stellte sich auch wieder die Trift ein. Brentoni war noch immer Partieführer und hatte, wie alle anderen, sein Opfer, den armen Hans, fast gänzlich vergessen. Man hatte ihm für seine auf¬ opfernden Rettungsversuche so viel Lob gespendet, daß es ihm schließlich selbst schien, als wäre seine Untat, die ihn eine Zeit lang bitter gequält hatte, nur ein böser Traum gewesen und er hätte eine Tat höchsten Edelmutes verübt. Er hatte nun auch größtenteils neue Kameraden unter sich, darunter ein paar Landsleute, und da ihn diese noch nicht genau kannten, wie die alten, hatte er auch wieder zu spielen angefangen und mogelte dabei wieder mit altem Ge¬ schick, aber jetzt nur viel vorsichtiger als früher, so daß es noch keinem gelungen war, ihn zu ertappen. Erst gestern hatte er wieder einmal einen ergiebigen Fang gemacht. Es war Sonntag und somit auch Zahltag gewesen. Alter Gewohnheit getreu, hatten sich die Flößer bei verschiedenen alkoholischen Getränken für die Unbilden entschädigt, die ihnen die ganze Woche über das alkoholfreie Wasser der Erlauf zufügte. Es war nervig getrunken worden und der schlaue Brentoni hatte in kameradschaftlicher Liebe und Freigebigkeit selbst ein paar Liter springen lassen, von denen er selbst aber nur ab und zu nippte. Als ihm die Köpfe der wacker zusprechenden Genossen genug benebelt dünkten, hatte er ein Spiel angefangen und den anderen natürlich die Beutel geleert. Er machte sich nicht das geringste daraus, daß ihn seine Kameraden, als er jetzt am Montagmorgen die Strecke abging, um zu sehen, ob auch jeder ordent¬ lich auf seinem Posten sei, mit finsteren Blicken ansahen. Das Geld hatte ja doch er und das war die Hauptsache. Denn diese Trift sollte seine letzte sein. Er hatte sich nun soviel zusammengespart, um im Herbst in seine südliche Heimat zurückkehren zu können, sich ein Häuschen zu kaufen, und er war überzeugt, daß er auch eine hübsche Marietta oder Luisetta finden würde, die ihm den Verlust der Fischer Liesl ersetzen konnte. Unter solchen Gedanken kam Brentoni an das große Breiteneicher Wehr. Schon aus einiger Entfernung sah er, daß sich hier, wie schon oft, die ganze Masse des Holzes gestaut hatte, aber kein Flößer arbeitete an ihrer Flott¬ machung. Hier hatte ein kräftiger junger Mann, der wegen seines dunklen, von Blatternarben übersäten Gesichtes der „schwarze Sepp“ genannt wurde, seinen Posten. Es war derselbe, der gestern den größten Rausch gehabt und all sein Geld verloren hatte. Und nun war er nicht da und schlief jedenfalls hinter einer Staude seinen Rausch aus. Brentoni suchte alles Gebüsch ab, er rief einmal, zweimal, dreimal, wie¬ derholt, aber es kam weder eine Antwort, noch der Gerufene. Der Sepp war überhaupt nicht da. So mußte sich denn Brentoni bequemen, selbst an die Arbeit zu gehen. Er tat es mit dem festen Vorsatz, dem anderen nicht nur einen gehorigen Lohnabzug zu machen, sondern ihn auf für diese Arbeit beim nächsten Spiel ganz besonders wieder über 's Ohr zu hauen. Das Hemmnis, an dem sich wieder die ganze Holzmasse staute, war, wie meistens, ein starker Buchenstamm, der sich an den Querbalken angelegt hatte zum Glück unweit des Rechens. Brentoni sah sich vorerst genau an, auf welche Weise er schnell wieder 55
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