Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

Das geübte Auge Brentonis hatte sofort erkannt, wo das Haupthemmnis lag. Wenn es gelang, den Buchenstamm flott zu machen, dann mußte die ganze Masse in jähe Bewegungkommen und dann mochte der Hans zusehen, wie er sich ans Ufer retten konnte. Ein leidenschaftlicher, haßerfüllter Blick schoß aus dem schwarzen Auge des Italieners zu dem emsig Arbeitenden hinüber und dann ging er ans Werk. Da er mit dem Haken nichts ausrichten konnte, nahm er das Griesbeil zur Hand und zog und hob aus Leibeskräften. Auch jetzt rührte sich eine Weile noch — nichts, aber auf einmal eine leise Bewegung, der Stamm hob sich, drehte sich, noch ein Ruck mit dem Griesbeil und er schob sich in langsamem Gleiten über den Wehrbalken. Mit ein paar geübten Spüngen war Brentoni auf dem Rechen, lief den¬ selben entlang ans Ufer und versteckte sich in dem Gebüsch. Als Hans die Bewegung der nun in Fluß gekommenen Holzmasse unter seinen Füßen spürte, blickte er auf und zurück und sah eben noch das Ende des über das Sturzbrett kollernden Buchenstammes. Er verstand die Gefahr und suchte sich eilends zu retten. Aber der erste Sprung, den er dem Ufer zu tat, fand keinen sicheren Boden mehr und er sank bis an die Brust in die treibende Holzmasse. Da begann er zu schreien und um Hilfe zu rufen. Brentoni hielt es nun geraten, sich zu zeigen, denn man konnte nicht wissen, ob nicht Leute von den nahen Feldern herbeieilten. Er schrie dem verzweifelt Ringenden und unausgesetzt um Hilfe Rufenden Worte zu, italienische und deutsche, er lief mit dem Haken den Rechen hinaus, er gestikulierte schreiend und jammernd zu Hans hinüber, ja, als sich wirklich, durch das Geschrei herbeigelockt, Leute am jenseitigen Ufer zeigten, stieg er bis an die Brust ins Wasser und tat, als wollte er hinauswaten, kehrte aber wieder um, rang die Hände, rief die Madonna und alle Heiligen an und lief dann mit seinem Haken den Rechen zurück und über den kleinen Steg des Mühlbaches am Ufer abwärts bis unterhalb des Wehres, um von dort den Kameraden zu retten. Indessen hatte es Hans dem Sturz zugetrieben. Das wirre Geschrei von hüben und drüben übergellte noch einmal ein wahnsinniger Hilferuf: „Mutter Gottes, Maria Taferl, hilf!“ — Dann hörte man nichts mehr als das dumpfe Brausen und Donnern der über das Wehr stürzenden Holzmasse. Nach etwa fünf Minuten aber tauchte unterhalb des Wehres ein krampfhaft ausgestreckter, blutüberronnener Arm aus der gährenden Flut, in dessen zerfetztes Hemd nun Brentoni, bis zu den Hüften in das Wasser hineinwatend, mit seinem Haken einhakte. Mit vieler Mühe gelang es ihm, den Körper des Kameraden ans Land zu bringen. Er sah entsetzlich aus. Die nachstürzenden Holzmassen hatten die Brust eingestoßen, so daß die Rippen hervorstanden, ebenso zeigte die Schädel¬ decke ein weitklaffendes Loch, durch das das Gehirn hervorquoll. Brentoni kniete neben dem Toten nieder, rang die Hände und jammerte, daß es den Leuten in die Seele schnitt. Die behörlichen Untersuchungen über den Unglücksfall waren bald beendigt. Es war nicht das erstemal, daß ein besonders waghalsiger und unvorsichtiger Flößer sein Leben eingebüßt hatte, und hier hatte man es wieder mit einem Fall von Unvorsichtigkeit zu tun. Die Aussagen der Leute, welche das Unglück mitangesehen hatten, deckten sich vollkommen mit denen des Partieführers und da jene auch Augenzeugen gewesen waren, wie sehr Brentoni um die Rettung des Kameraden bemüht gewesen war und beinahe sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte, erhielt der Italiener später sogar eine behördliche Belobung. Da Hans ganz allein in der Welt gestanden hatte, war auch die Trauer um ihn nicht groß; nur die Fischer Liesl, die ihn wirklich lieb gewonnen hatte, weinte ihm aufrichtige Tränen nach. 54

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2