Brentoni wußte zwar noch nicht genau, wie er sich an Hans rächen werde, aber geschehen sollte es. Mit den Zähnen knirschend, drohte er mit der Faust gegen das helle Fenster des Wirtshauses zurück, aus dem nun, wie zum Hohn, ein lustiges Lied erklang. Am nächsten Tage stand der Flößer Hans nachlässig, auf seinen langen Flößhaken gestützt, auf seinem Posten am Ufer der Erlauf vor der großen Wehr bei dem Dorfe Breiteneich. Es war ein schöner Aprilmorgen und über den Feldern sangen die Lerchen. Obwohl es kaum 9 Uhr war, schien die Sonne so warm, daß Hans seinen groben Lodenrock ausgezogen und an die Stauden gehängt hatte. Eine Zeit lang starrte er gedankenlos in das gelbgraue Wasser, das eilig dahinschoß. Der euchte Dunst, der von demselben aufstieg, tat seinem Kopf ungemein wohl, denn der brannte und glühte noch von der Nacht her, wo die drei des Partie¬ führers Geld in warmen Wein und Schnaps umgesetzt hatten. Erst langsam kam ihm zum Bewußtsein, was gestern geschehen war und ein leises Mi߬ behagen stieg in ihm auf. Wie würde sich Brentoni zu ihm stellen. Schließlich tröstete er sich aber damit, daß dem Italiener ganz recht geschehen sei und daß dieser vielleicht selbst schon seinen Fehler eingesehen hätte. Er schien ja im Grunde genommen doch ein guter Kerl zu sein, wenigstens ließ die Art und Weise, wie er sich nach der Tanzprügelei benommen hatte, darauf schließen. Und dann: so lange er seine Pflicht tue, konnte ihm Brentoni nichts anhaben. Eine schläfrige Müdigkeit befiel Hans und am liebsten hätte er sich in das Gras gelegt, um sich ordentlich auszuschlafen. Aber die Trift konnte jeden Augenblick da sein und da hieß es wach bleiben und am Platze sein. Und richtig: da begann auch schon das Wasser sich kaffeebraun zu färben und immer höher und höher am Ufer emporzulecken. Ein leises Sausen kam von ferne her, die Trift war im Gange. Zuerst kam in dem quirlenden, mit schmutzigweißen Schaumringen bedeckten Wasser allerlei kleines Holzwerk daher: dünne Zweige und Aestchen, Holzsplitter und Baumrinden; dann zogen einmal ein paar Scheiter daher, die am Vortage irgendwo auf einer Schotterbank liegen geblieben waren und nun vom anschwellenden Wasser wieder gehoben und fortgetragen worden waren und nun segelte auch majestätisch, wie ein Panzerschiff unter kleinen Segel¬ booten, das erste Bloch daher. Eine gelbbäuchige Bachstelze lief, munter mit dem langen Schwanze wippend, auf demselben auf und ab, von einem Ende zum anderen und als sich das Bloch dem Wehr näherte, flog sie auf und einem neuen entgegen, um auf diesem die fröhliche Lustfahrt zu wiederholen. Immer höher schwoll das Wasser, immer dunkler wurde sein Braun und jetzt war die Trift da. In dichten Haufen, kreuz und quer, über= und unter¬ einander, kamen ganze Massen von Scheitern daher, deren helle Spaltflächen vom Wasser benetzt, wie Silber in der Sonne blitzten. Und wie Walfische in einem Delphinenschwarm schwammen dazwischen Bloche, lange, dünnere Tan¬ nen= und Fichtenstämme und kurze, dicke Buchen= und Bergahornstämme. Soweit der Fluß seiner Länge nach zu überblicken war, zog sich, mehr als die Hälfte seiner Breite einnehmend, diese ununterbrochene Kette von schwim¬ mendem Holz, hunderte und hunderte von Klaftern dahin, einer gleißenden riesenhaften Wasserschlange ähnlich. Hans hatte seinen Platz verlassen und stand nun auf dem breiten Balken des gewaltigen Holzrechens, der den Einlauf des Mühlbaches gegen den Fluß abschloß und vor dem Eindringen der Holzmassen schützte. Ganz an das über den Wehrsturz vorragende Ende hatte er sich gestellt, denn es machte ihm immer Vergnügen, zu sehen, wie die Scheiter über das Wehr hinabkollerten und polterten, besonders aber, wie die großen Bloche köpflings, gleich kühnen Schwimmern, hinabschossen, eine Weile im gischtenden Wehrtümpel auf¬ tauchend, verschwanden und dann oft erst in einer Entfernung von zwanzig Schritten wieder emportauchten und langsam schaukelnd weiterzogen. 52
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