Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

Gottes Mühlen Eine Flößergeschichte von Alexander Bienenstein Die Fischer Liesl war nicht gerade eine Schönheit, aber sie war ein ganz schmuckes, dralles Ding mit lustig aufgeworfener Stumpfnase, lachenden Augen, immer munter und kreuzfidel und im Verkehr mit den jungen Burschen nicht zimpferlich, ohne sich dabei aber etwas zu vergeben. Sie stand jedem Rede und Antwort, wußte auf neckende Worte sofort eine schlagende Erwiderung und verstand, Vertraulichkeiten, die über das ortsübliche Maß gingen, bestimmt, aber ohne Entrüstung zurückzuweisen. Außer diesen Vorzügen besaß sie noch den, doppelte Erbin zu sein. Von einer in der Stadt verstorbenen Tante hatte sie mehrere hundert Gulden geerbt, die in der Sparkasse nutz¬ bringend angelegt waren und von der Mutter, mit der sie zusammen ein kleines, nettes Häuschen mit kleiner Wirtschaft bewohnte, hatte sie einst als einzige Tochter dieses Anwesen zu erwarten. Kein Wunder also, wenn die Fischer Liesl als eine der besten Partien des armseligen Dörfchens galt, das eingekeilt zwischen Fluß und Bergwand, seine paar Häuschen das Ennsufer entlang ausstreckte, um sich doch einigermaßen bemerkbar zu machen. Es waren arme Leute, die das Dörflein bewohnten. Der schlechte, schotterige Boden brachte nur kümmerlich ein wenig Getreide und Kartoffeln hervor und die männliche Einwohnerschaft sah sich daher gezwungen, ihr Brot anderswie zu verdienen. Ein kleiner Teil arbeitete in einer nahezu eine Stunde entfernten Fabrik, der größte Teil aber betrieb das Flößergeschäft auf der Erlauf im Dienste des millionenreichen Barons Rotberg. Wenn im Frühjahre durch die Schneeschmelze die Erlauf und alle ihre Nebenbäche besonders wasserreich waren, dann wurden ungeheure Mengen von Scheitern und Blochen auf ihr zur Donau herausgeschwemmt, wo sie dann auf große Plätten verladen und nach der Hauptstadt verfrachtet wurden. Die Trift, so wird das Schwemmen genannt, zu überwachen, etwaige Anstauungen des Holzes zu verhüten, dazu war ein kleines Heer von Flößern notwendig, und da der Dienst ein gefährlicher war, war auch die Bezahlung eine verhältnismäßig gute. Dieserhalb hatten sich auch die jungen Männer des kleinen Dörfleins der Flößerei zugewendet und bildeten eine eigene Partie, der als Partieführer ein sehniger schwarzbärtiger Italiener Brentoni vorstand. Der hatte sich nun in die Fischer Liesl verschaut und schwänzelt um sie herum, wie ein Gründling um den Köder. Die Liesl gefiel ihm ganz gut, aber außerordentlich ihr schmuckes Häuschen und ihr Geld. Den gleichen Geschmack hatte aber ein anderer seiner Partie, der Flößer Hans, wie er allgemein genannt wurde, und er hatte dem Italiener voraus, daß er ein Schulkamerad der Liesl gewesen war und mit ihr deshalb seit jeher auf vertrautem Fuße stand. Die Liesl dachte durchaus nicht daran, den Flößer Hans, der ein bißchen stark auf der leichten Seite war, zu heiraten, aber von dem Italiener wollte sie schon gar nichts wissen und da er immer zudringlicher wurde und alle Ab¬ weisungen an seiner süßlichen Geschmeidigkeit wirkungslos abprallten, wollte sie sich seiner endlichganz entschieden entledigen und der Flößer Hans sollte das Werkzeug sein. 49 4

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