Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

„Mein Name ist Servatius Steäse“, begann er leise flüsternd. „Ich bin ge¬ kommen, Sie, Herr Gemeinderat, zu einer Berühmtheit, einer Unsterblichkeit zu machen. Wenn Sie nur ein wenig Mut haben und den Willen, unsere Stadt zur reichsten und wohlhabendsten Europas zu machen. Hier in der Aktentasche ist der fertige Plan und Sie müssen ihn in den Gemeinderat bringen; ange¬ nommen wird er bestimmt; alle Männer werden begeistert sein, die Stadt wird florieren und Ihnen wird man noch bei Lebzeiten ein Denkmal setzen, ein Denkmal, größer als das Hermannsdenkmal im Teutoburgerwalde. Herr Steäse hatte sich in eine derartige Erregung hineingeredet, daß selbst seine aschfahlen Wangen nun ein wenig gerötet und belebter erschienen. Mir wurde dabei ganz unheimlich zu Mute und unwillkürlich rückte ich mißtrauisch von dem atemlosen Sprecher ab. Offenbar war der Kerl verrückt, komplett närrisch. Gerade mich, den unbekannten Funktionär, wollte er be¬ rühmt machen. Um den Aufgeregten nicht zu reizen, fragte ich daher zuvor¬ kommend: „Womit kann ich also dienen? „Ich bin nun das vierte Mal verheiratet“ sagte Steäse melancholisch. „Zu¬ erst stark, dann stärker am stärksten und am allerstärksten. „Meine innigste Anteilnahme“ erwiderte ich mitfühlend, um den Wahn¬ sinnigen zu beruhigen, denn daß ich einen Narren vor mir hatte, war sicher; viermal heiraten! Da fehlt es schon weit! „Ich danke Ihnen, Herr Gemeinderat, ich wußte, Sie begreifen die Sache.“ Eine Frechheit so etwas! Aber wie den Mann los werden? „Die erste“ fuhr er fort, „hatte Aluminium=Geschirr, die zweite ging auf das viel schwerere Email über, die dritte verwechselte das Reibeisen mit einem Punktroller, mein Gesicht sah immer aus wie frisches Hackfleisch. — Und die vierte!!“ Er seufzte bloß aus tiefstem Herzen. In sich versunken saß mein Gast eine geraume Zeit und ich wagte es nicht, ihn in den angenehmen Erinnerungen zu stören. „Sehen Sie“, begann der von neuem, „dadurch wurde ich zum unbedingten Anhänger der Frauenemanizipation. Ich bin für das Recht der Frauen, begreife, daß sie eine eigene Meinung haben und dieser auch zum Durchbruch verhelfen wollen und beklage daher tief, daß man den Frauen bisher nie die richtige Gelegenheit gab, wo sie nach ihrem Willen schalten und walten können, wo sie ganz ungestört sind, ganz unter sich, wo kein böser Mann etwas dreinreden darf. — Und, eine solche Stelle zu schaffen, ist mein Plan, Ihre Unsterblichkeit.“ Mir wurde ganz unheimlich zu Mute; wenn ich nur unauffällig die Ret¬ tungsgesellschaft verständigen könnte! Wie im Selbstgespräch redete der andere weiter: „Unsere Stadt hätte alle Vorbedingungen zur Errichtung eines Institutes zur Schaffung des Extraktes weiblicher Vollkommenheit, Tugend und Energie. — Da wäre das leerstehende Kaserngebäude, — Kochgelegenheit, — hohe Umzäunung, —viel Platz, sehr günstig.“ Und zu mir sich wendend, erklärte er: „Die Manner von heute sind im allgemeinen sehr schlecht für die Ehe erzogen. Heiraten sie dann, so muß sich die Frau immer ärgern und versuchen, die Erziehung durchzuführen. Leider geschieht dies oft mit unzulänglichen oder gar falschen Mitteln. Das Ende ist — dann die Tragödie. In dem zu errichtenden Institut, das wir nach der Stammutter Eva „Evarium“ benennen wollen, sollen die Frauen, die an der „Eheunerzogenheit“ zu leiden haben, geschult werden, wie sie es anstellen müssen, den Männern gegenüber ihren Willen durchzusetzen. Aber nicht nur die zielbewußte Männerbehandlung wird dort gelehrt, sondern auch die Koch¬ kunst, Kleidermachen, Modistenarbeit etc. etc., kurz, ideale Frauen werden herangezogen.“ „Aufrichtig gestanden, ich weiß nicht, wo Sie hinauswollen,“ unterbrach ich nun schon ungeduldig den Narren. „Einen Augenblick!“ versetzte Steäse eifrig, „die Kaserne wird in eine große Frauenschule umgewandelt auf ausgesprochen demokratischer Grundlage. 46

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2