Peter Rosegger Der — OtterienäPf¬ Der Lipp, das ist ein Mann, der einmal gern lachte. Er war aber nicht Jünger jenes Philosophen, der die Welt belachte und sich selbst beweinte, nein, auch sich selbst belachte der Lipp. Bei allem, was er dachte, sprach und tat, lachte er still und heiter vor sich hin, lachte in seine Tabakspfeife hinein. Er hatte wohl Ursache zur Heiterkeit, denn ihm gingen alle Wünsche in Erfüllung, weil er sich eben nur das wünschte, was bei ihm leicht in Erfüllung gehen konnte. Der „liebe Gesund“ und ein „leidlich guter Weg“ für sein Fuhrwerk war ihm die höchste Gunst des Schicksals. Er war Kohlenführer und kam mit seinen schwarzen Gefährten jeden Tag von den Köhlereien im Gebirge in das Dorf Niederleuth, wo die Gewerkschaften sind. Aber es gehörten die Kohlen nicht ihm und es gehörten die Pferde nicht ihm; und seine läßlichen Sünden waren die, daß er sich bis in sein fünfundzwanzigstes Lebensjahr noch gar nichts erworben hatte als das tägliche Brot und den guten Appetit dazu. Unter solchen Verhältnissen nun hatte er freilich leicht zu lachen. So saß er jeden Tag auf seinem hochgeschichteten Kohlenwagen wie auf einem Thron und hielt den Leitriemen der Pferde in der Hand, sang bisweilen ein keckes Standlied und bot jedem Vorübergehenden, Vorüberfahrenden ein gutes Wort an. Nicht ein einziges Mal kam er mit anderen Fuhrleuten des Ausweichens wegen in Streit, wenn ihm aber jemand eine Pfeife Tabak schenkte, so war er dafür so dankbar, daß er den Wohltäter wo und so oft er ihm auch begegnen konnte, immer schon von weitem anlachte. Der Lipp war durchaus zufrieden mit dem, was er war und hatte, gleich¬ wohl er im Dorf allerlei Dinge sah, die ihm gefielen. Da standen am Wege die Wirtshäuser, und er hätte den Durst dazu; da hatte der Kaufmann in seinem Glaskasten neue Taschenmesser und Peitschenstäbe aufgestellt. Eine silberne Sackuhr, wie sie dort im Eckhause zu kaufen wäre, ein unterhaltsam Ding den Bergweg entlang. Mancher der Dorfbürger hatte ein flinkes Rößlein und ein Steirerwägelchen dran und da saß er drin und kkutschierte flott durch die Gassen und hatte eine feine Zigarre im Mund. Und wenn er wollte, so lenkte er um, fuhr lustig seinem Hause zu, wo das Weib war mit dem Kalbsbraten, mit dem Kaffee Wer's hat, der braucht's, dachte sich der Kohlenführer, arm ist nicht, wer wenig hat, sondern wer viel braucht. Beim Tabakverleger war des Lipps Haltstation; und während ihm sein Tabak ins Papier geschlagen wurde, sah der Kohlenführer die weiße Tafel an, die über dem Fenster stand. Auf der Tafel war geschrieben: „K. k. Lotto¬ Collektur“ Da lächelte der Lipp nur so still vor sich hin: „Kriegst mich nicht dran, mir sindmeine zehn Kreuzer, die ich hab’, lieber wie dein Terno, den ich nicht krieg Aber die Wirtshäuser standen halt immer an der Straße, und der Kauf¬ mann und der Uhrenhändler öffneten jeden Tag ihre Glaskästen, und die Steirerwägelchen wirbelten Straßenstaub und Begierden auf, und die weiße Tafel beim Tabakverleger schrie dem Kohlenführer jeden Tag ins Auge: „K. k. Lotto=Collektur“ 42
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