Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

verlangten die Zustimmung des Patienten zu sofortiger chirurgischer Behand¬ lung. Leider konnte Pechvogel diese Zustimmung nicht geben, weil er schon bei Beginn dieser Untersuchung vor Schmerzen ohnmächtig geworden war. In diesem Zustand erfolgte auch seine Ueberführung ins städtische Kranken¬ haus. Auch dort konnte aber die sofortige operative Entfernung des mittlerweile zur Größe eines schottischen Dudelsackes angeschwollenen Abszesses nicht vor¬ der genommen werden, da die Kosten einer derartigen Behandlung von Krankenkasse nur dann wenigstens teilweise getragen werden, wenn der Pa¬ tient vor der Spitalsaufnahme persönlich darum ansucht. Pechvogel wurde also vermittelst einer Kampferinjektion ins Bewußtsein und zurückgerufen, zur Abfassung eines entsprechenden Ansuchens veranlaßt ein¬ dieses zur Bewilligung an den Arbeitsausschuß der Bahnkrankenkasse äter sp gesandt. Trotzdem die nächste Sitzung dieser Körperschaft schon drei Tage stattfand, trotzdem weiter zwei Drittel ihrer stimmberechtigten Mitglieder auf die Weiterleitung des Ansuchens an den eigentlich zuständigen Vertreter¬ ausschuß verzichteten, kam die bezügliche Spitalsaufnahmebescheinigung nicht mehr rechtzeitig in die Hände des Kranken. Otto Pechvogel, der während des ganzen Verlaufes seiner Erkrankung keineswegs jene subordinierte Geduld an den Tag gelegt hatte, die von Kassenmitgliedern in auf= und absteigender Linie billig gefordert werden kann, hatte sich bereits durch den Tod jeglicher ihm statutenmäßig zukommender Kassenleistung entzogen. Es war an einem sonnigen Herbstnachmittag, als Pechvogels Freunde dessen letzte Ruhestätte am Friedhof zu Einöd umstanden. Feierlich klangen die Weisen eines Chorals, leise rauschte der Herbstwind in den Zweigen alter Zy¬ pressen, und tiefe Stille legte sich über den sonnbeschienenen Kirchhof, als Vor¬ stand Meier mit folgenden Worten seinen beweglichen Nachruf schloß: „Einem unergründlichen Schicksal hat es gefallen, dich, lieber Kamerad aus dem Index des Lebens zu streichen. Außer Stand und Gebühr gebracht, schwebt dein Geist in ein Reich, das sich unserer Gebarung entzieht, legen wir dich urschriftlich in die Hände des Schöpfers zurück. Einsam und schmerzzerquält hast du die letzten Wochen deines Lebens verbracht, treu umhegt und umsorgt aber von dem fürsorglichen Geist jener Institution, die unter dem schlichten Namen Krankenkasse uns alle liebend umschließt. Lebe wohl, Otto Pechvogel, und vergiß deiner Freunde nicht, wenn du eingehst in die große Registratur Gottes! Mit diesen Worten schließend, legte der Redner einen von der Kasse ge¬ Und stifteten Trauerkranz, allgemeine Form 209, am offenen Grabe nieder. der während die Leidtragenden einige Minuten in der in 8 7, Abschnitt c, Durchführungsbestimmungen zur Krankenordnung vorgesehenen Haltung ver¬ blieben, rollten die ersten harten Schollen auf des toten Fahrdienstleiters ein¬ fachen Holzsarg, der im Begräbnisgeld eine mehr als hinreichende Deckung gefunden hatte. STEYR, Enge 33 KAUFHAUS Dassohsse bringt größte Auswahl bei gediegener Qualität u. billigsten Preisen in Herren-, Damen-, Kinderbekleidung u. Wäsche 35 41

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