Das SreprerKripperl Von Hauptschuldirektor Franz TRAUNER In unserer Stadt lebt bis zum heutigen Tage ein altes Weihnachts¬ Puppenspiel fort, das unter dem Namen „Steyrer Kripperl“ bekannt ist und in dessen volkstümlichen Szenen die Ortsfarbe der geschichtlich bedeutsamen Stadt hineinspielt. Ernste religiöse und lustige, lose aneinander gereihte Bilder erscheinen verknüpft, die von geschnitzten und bekleideten Puppen dargestellt werden. Altes, bodenständiges Volkstum in Liedern, Versen, Schnurren, Bräu¬ chen und Trachten wird getreulich überliefert und stellt ein gern begehrtes wirksames Gegengewicht gegen schlechte Kinodramen dar. Dieses Moment und die helle Freude, die jedem Erwachsenen aus den lachenden Augen und dem ungestümen Drängen der jubelnden Kinder zu eigen wird, zeigt den großen, gewaltigen Gemütswert dieses Marionettenspieles. Im Aufbau zeigt sich eine Dreistufigkeit: Die Unterbühne mit den ernsten religiösen, die Mittelbühne mit den Handwerker= und die Oberbühne mit den „Die Wild¬ — städtisch=bürgerlichen Szenen. Für die ländlichen Darstellungen tritt als eine Art bratschützen, „Die Schwoagaleit", „Der Baumkraxler“ Anhang die Rückbühne, eine liebliche Landschaft, mit dem breiten Damberg¬ rücken im Hintergrunde. Das Steyrer Kripperl geht auf die schon im 14. Jahrhundert gebotenen Marionetten=Krippenspiele zurück, darf daher nicht als Einzelerscheinung ge¬ wertet werden und ist heute der letzte Vertreter eines volkstümlichen Weih¬ nachtsspieles, das schon im 18. Jahrhundert in Oberösterreich und in anderen Ländern üblich war. Die in der Renaissance aufgekommenen prunkvoll aus¬ gestatteten Schaukrippen bilden die Grundlage seiner Einrichtung und szeni¬ schen Belebung. Zahlreiche Einzelzüge aus späterer Zeit wurden den aus der Barock= und Rokokozeit stammenden Volksszenen hinzugefügt. Diese Spiele kamen aus den romanischen Ländern, wo sie sich aus deutschen und englischen Mysterienspielen entwickelten. Der Vorhang im Steyrer Kripperl, ein Bild von Neapel, mahnt uns heute noch leise an den romanischen Einfluß, an die Zeit, wo noch in reicher Gewandung venetianische Handelsherren im „Löwenhaus (Bummerlhaus) in Steyr zu Gaste waren. Verschiedene Kultureinflüsse schufen das Kripperl in der alten Eisenstadt, Anziehendes ver¬ aber all das, das ihm seinen besonderen Gemütswert, sein leiht, die Ortsfarbe, die Volksseele, Brauchtum und Sitte, schenkte doch erst der alte österreichische Heimatboden. So wird das Steyrer Kripperl, mögen Wurzeln räumlich und zeitlich auch weit auseinanderreichen, zum getreulichen Spiegel altsteyrischen Volkslebens und dadurch der deutschen und österreichi¬ schen Volkskunst und Volkskunde von bedeutendem Wert, trotz völligem Man¬ gel jeder archivalischen Nachrichten. Gegenwärtig beherbergt der Innerbergerstadel das „Kripperl“, das all¬ jährlich von Allerheiligen bis Lichtmeß fleißig gespielt wird und auf jung und alt dieselbe Anziehung ausübt wie vor zweihundert Jahren, wo es im alten Steyr sicher auch schon gespielt wurde. Ein hübsches Aushängeschild, darstellend den Nachtwächter mit Horn und Hellebarde und mit der Unterschrift „Steyrer 127
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