Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

Die Entstehungszeit dieses Gitters festzustellen ist wohl kaum mehr mög¬ lich, sie festzulegen nicht ganz einfach. Die spitzenartig durchbrochene Arbeit ist in ihrer Durchbildung so harmonisch der Architektur des Sakramentenhäuschens eingefügt, daß sie wohl spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hergestellt worden sein dürfte. Der Türrahmen, der die sechs Ornamentfelder einfaßt, setzt mit seinen rein gotisch empfundenen Vierblattreihen die Maßwerk¬ ornamentik des Türfrieses fort, und das allen Ornamenten zugrundeliegende Gestaltungselement beruht ebenfalls auf eiiner Variante des gotischen Spitz¬ bogens: seine mit Maßwerk geschmückte Form läuft in einen leicht geschwun¬ genen Keil aus, ähnlich wie beim gotischen Fischblasenmuster. Auch die ein¬ fachen Maßverhältnisse der Gittertür und ihrer Füllungsfelder (die Türseiten verhalten sich wie 1:2,, die Ornamentseiten wie 2:3) deuten auf die in der Gotik üblichen Bauhüttengepflogenheiten. Lediglich in der verschiedenen inneren Haltung der Ornamente scheint die neue Formgesinnung der aufkommenden Renaissance sich anzukündigen. Es gibt nämlich da neben den Ornamenten, die von dem grenzensprengenden Drang der Gotik beseelt sind und eine auffällige Tendenz nach oben aufweisen, auch Quadratfüllungen, die mit einer gewissen Behaglichkeit in sich zu ruhen scheinen und an den Quadratecken mit den Nach¬ 800 ∆ S S S barornamenten zu windrosenähnlichen Nebenmotiven sich zusammentun. Gerade diese Bildungen unter den sechs Ornamenten scheinen eine stilistische Ueber¬ gangszeit zu verraten, und da uns in Steyr aus dem Jahre 1599 ein einzig¬ artig schönes geschmiedetes Grabkreuz schon in den reinen Formen der Renais¬ sance erhalten geblieben ist und um diese Jahrhundertwende auch der Sgra¬ fittoschmuck an den Hausfassaden sich in unserer Stadt einbürgert, ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Eisenschnittarbeit doch erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden ist oder fertiggestellt wurde. Da dieses Kunstwerk höchster Reife der Form und der Technik zufolge seiner einstigen Zweckbestimmung in unmittelbarer Nähe des abgeschrankten 122

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