Josef Drausinger, Steyr: Die Sakramenthausgitter in der Stadtpfarrkirche Steyr Im Jahre 1443 beschlossen Rat und Bürgerschaft zu Steyr, die unzu¬ reichend gewordene alte Pfarrkirche durch eine geräumigere und prächtigere zu ersetzen. Man nahm sich dabei kein geringeres Bauwerk zum Vorbild als den Stephansdom zu Wien, und einer deren Baumeister — Hanns Puchsbaum — war höchstwahrscheinlich auch Schöpfer des Planes für diese neue Kirche und erster Baumeister. Der dreischiffige, in seinen Maßen ungemein edle Hallenbau ist in seinem Grundriß nur um ein Drittel kleiner als jenes Wahr¬ zeichen Wiens und weist zahlreiche Aehnlichkeiten mit St. Stephan auf, ins¬ besonders gleiche Anzahl der Gewölbefelder im Kirchenschiff. Zu Beginn des Jahres 1522 stand das Gotteshaus vor seiner Vollendung, als am 18. März des gleichen Jahres bei einem Stadtgroßbrande auch das noch eingerüstete Bauwerk Feuer fing. Es „verbrannte dadurch alles, das Dach in der Kirchen, die meisten Altäre, alte Epitaphia, Fenster und Gemählde; der ehr schöne und mit kunstreichen Werken gezierte Predigtstuhl; alle mit großen Unkosten angeschaffte Glocken... (Prevenhueber) Erst im Jahre 1636, inmitten des dreißigjährigen Krieges, fand der Bau seine neuerliche Vollendung, nachdem er über ein Jahrhundert Ruine geblieben war. Von seiner Innenausstattung ist nach Prevenhueber aber schon zu jenen Zeiten nur ein Bruchteil erhalten geblieben, und auch dieser ist bis auf spär¬ liche Reste in der Folgezeit weggeschafft worden, sodaß unsere alte, ehrwürdige Stadtpfarrkirche, die von Fachleuten als die schönste aller gotischen Kirchen des Landes gepriesen wird, nur noch einige berühmt gewordene Plastiken, einige wertvolle Epitaphe, einen kostbaren Taufstein aus dem Jahre 1569, ein Tafel¬ bild um 1400, eine wappengeschmückte Sakristeitür, insbesonders aber ein überaus kostbares Gittertürchen zum Sakramentenhäuschen aufweist. Das ist o ziemlich alles, was an bedeutenden Kunstwerken aus der Zeit der Erbauung auf uns gekommen ist. Aber es ist in einem anderen Sinne auch wieder viel weil jeder einzelne dieser Ueberreste Zeugnis von dem hohen Kunstsinne un¬ serer Vorfahren ablegt. Für diesmal wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem Sakramenthausgitter zu, das meines Wissens bisher nur vielfach erwähnt aber noch niemals eingehend betrachtet worden ist. Das Sakramententhäuschen befindet sich im Chor der Kirche, zur linken Hand des Hauptaltares, in die Mauerblende eines Fensters eingelassen, und strebt in wundervoller Verjüngung und zartester Durchbildung seiner pät¬ gotischen Formensprache zum Spitzbogen jenes Fensters hinan. Der Raumfür die Aufbewahrung der Monstranze ist von einem rechteckigen, vergoldeten Git¬ ter abgeschlossen, das in sechs Feldern eine kerbschnittartig in Eisen geschnittene Ornamentik von solchem Wohllaut zeigt, daß sie eine liebevolle Einzelbetrach¬ tung wohl verdient. Dieses Gitter war übrigens lange Zeit verschollen, und nur dem Zufalle ist es zu danken, daß es erhalten geblieben ist und sich wieder vorfand, als man darnach suchte: als rauchgeschwärzte und mit Rußkrusten überzogene Ver¬ kleidung einer schadhaft gewordenen Kaminmauer am Dachboden eines Steyrer Bürgerhauses! Auf welche Weise es dahin gelangt sein mag? 120
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