Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

JAHR- und WOCHENMARKTE Von Oberlehrer Josef Pfaffenwimmer Die erste geschichtliche Erwähnung der Stadt als Marktplatz gibt die älteste Stadturkunde im Archiv, die von Herzog Albrecht l. aus dem Jahre 1287 stammt. Durch dieses große Privileg wurde die freie Entwicklung der Stadt, besonders in Hinsicht auf Handel und Gewerbe, und die Rechte derselben gegen¬ über anderen Handelsstädten sichergestellt. Wir können uns heute die Straßen einer Stadt ohne Geschäftsladen mit Schaufenstern, in denen die Waren ausgestellt sind, kaum denken. Früher kannte man das aber nicht. Wer etwas zum Kaufe auslegen wollte, tat es auf offenem Markte. Für Kauf und Verkauf war der Marktplatz der wichtigste Teil der Stadt. Hier war eine Unzahl von bedeckten und unbedeckten Ständen, Bän¬ ken und Buden errichtet, hier boten die verschiedenen Handwerker und die Ver¬ käufer von Lebensmitteln ihre Waren an. Die gleichartigen Gewerbe hatten gewöhnlich Stände und Buden nebeneinander. Der den Steyrern wohlgesinnte Herzog Albrecht II. bedachte die Stadt bei edem seiner Besuche mit wichtigen Vorrechten. Im Jahre 1347 verlieh er den Steyrern das Recht, einen Jahrmarkt abzuhalten, ein Recht, das die Stadt schon früher einmal besaß, aber aus unbekannten Ursachen aufgehoben war! h). Es wurde ein Frühjahrsmarkt abgehalten, der am Donnerstag nach Jubilate einen Anfang nahm und bis zum Fest Christi Himmelfahrt dauerte. Dieses Vermächtnis des Mittelalters hat sich durch all die Jahrhunderte hindurch in Steyr erhalten. Waren es vorerst nur die heimischen Kaufleute, denen das Recht zustand, am Jahrmarkte feilzubieten, so folgten Gauklern und anderem fahrenden Volke bald Handeltreibende aus den Nachbarländern, besonders Tuchhändler aus Böhmen und Mähren sowie Kaufleute aus Linz, Wien, Augs¬ burg, Regensburg, Nürnberg und anderen Städten. Im Jahre 1422 bewilligte Herzog Al¬ brecht V. die Errichtung hölzerner Markt¬ hütten, ferner die Erlaubnis, im Rathause Fleisch= und Brotbänke nebst einer Stadt¬ waage zu errichten?). 1572 stürzten durch das Hochwasser die Mauern an der Enns und der hintere Teil des Rathauses mit den Fleischbänken ein. Alles wurde wieder her¬ gestellt und das dazu nötige Eichenholz in Aichet gefällt. Der Beginn des Jahrmarktes wurde vom Balkon des Rathauses unter Trom¬ peten= und Paukenschall angekündigt und eine Stunde lang, von 11 bis 12 Uhr, mit der großen Glocke der Stadtpfarrkirche ein¬ geläutet. Das Symbol der „fürstlichen Freiung“, ein Gerichtsschwert haltender Arm (heute im Heimathaus), wurde wäh¬ rend der Marktzeit am Rathaus angebracht. Der Marktplatz stand nun unter 102

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