Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

Rat über die schlechte Musik in Schule und Kirchet), die gemeiner Stadt zum 9. Spotte gereiche Das große Interesse der Bürgerschaft für die Kirchenmusik beweist die Tatsache, daß Stiftungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert auch für den Lebensunterhalt des Organisten an der Stadtpfarrkirche sorgten. Als im März 1522 die Orgel dieses Gotteshauses dem großen Brande zum Opfer fiels), legierte achtzehn Jahre später der Bürger Hans Fuchsberger 40 Pfund zum Bau einer neuen'). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lesen wir in den Ratsprotokollen von Orgel=Reparaturen, in den Jahren 1613 bis 1616 von der Aufstellung einer neuen Orgel in der Klosterkirche. Als „Orgelmacher“ nennen die Quellen den Bürger Georg Hackher (um 1590), Dietrich Wagner und Ulrich Schreier, der 1614 auch mit dem Bau eines Orgelwerkes in der Frauenkirche zu Freistadt beauftragt wurdes). Den Organistendienst versahen durch mehrere Jahrzehnte Wolfgang Khu¬ mer') und Johann Kirchberger'). Ein Organist von überragender Bedeutung war der aus Horn in Niederösterreich stammende Paul Peurl, der als Urheber der „Deutschen Variationen=Suite“ gilt und zu den größten deutschen Komponisten des 17. Jahrhunderts zählt. Im Herbst des Jahres 1609 hielt Peurl, von Zeitgenossen als Künstler auf der Orgel gerühmt, seinen Einzug in Steyr, wo er an der evangelischen Schulkirche den Organistendienst über¬ nahm. Groß ist die Zahl seiner in der Eisenstadt geschaffenen, zum Teil ver¬ öffentlichten Musikwerke. Besonders erwähnt seien die Kompositionen „Newe Paduan, Intrada, Däntz und Galliarde“ für Streichinstrumente, „Weltspiegel, Neue teutsche Gesänge“ und die „Teutschen Lieder“ Peurl hatte auch die Aufsetzung der Schulkirchen=Orgel zu überwachen, wofür ihm 1613 aus der Eisengesellschaftskasse 20 Gulden gegeben wurden. Sein Anteil am Zustandekommen dieses Werkes dürfte nicht unbedeutend gewesen sein. Als er 1625 von Steyr wegzog, mußte er sich zur „Hinter¬ lassung des Orgelwerkes“ verpflichten?). Den Chorgesang leitete der Kantor. Die Sänger, Astanten oder Dis¬ kantisten genannt, waren gewöhnlich arme Schüler, die im Mittelalter singend und bettelnd ihr Leben fortbringen mußten. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts gestattete ihnen der Rat beim „Herumbsingen“ den Besuch der Ratspersonen sowie der anderen reichen Bürgersleute und bewilligte für sie Kost und Be¬ kleidungte) Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts wirkte als Kantor an der Klosterkirche Wilhelm Clausner!). Diese Stelle erhielt 1608, nach Wieder¬ eröffnung der Lateinschule, Georg Taubenrockh aus Eferding!) Während seines Aufenthaltes in Steyr war er einige Male in Streithändel verwickelt. Im Juni 1613 hatte Taubenrockh, da er mit seinen Astanten nicht rechtzeitig zur Vesper erschien, eine heftige Auseinandersetzung mit dem Stadtprediger Johann Isingius, im August stieß er, durch das freche Be¬ nehmen eines Studenten völlig außer Fassung gebracht, die Frau des Kon¬ rektors Tydaeus fast zu Boden und einige Jahre später entzweite er sich mit demRektor Egydius Weixelberger und mit dem Konrektor Paul Collinust) Für den Lebensunterhalt der Kantoren kam die Stadt auf. Eine Neben¬ einnahme bildeten die Gaben der Bürger, die durch das Singen „mit dem Stern“ am Feste der heiligen drei Könige eingingen. An diesem Tage zog der Kantor mit seinen Astanten durch die Straßen der Stadt, wobei religiöse Lieder gesungen wurden. Dieser uralte Brauch, der ein Vorrecht der Kan¬ toren gewesen sein dürfte, wird in den Ratsprotokollen 1576 erstmalig er¬ wähnt“) Die von einigen Organisten oder Kantoren komponierten Musikwerke wußte die Stadtobrigkeit wohl zu würdigen, indem sie dedizierte Kompositio¬ nen jedesmal mit einer „Verehrung“ belohnte. Im Jahre 1580 erhielt Wil¬ helm Clausner für einen Passionsgesang 20 Taler, Fr. Sebastian Ertelius 93

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