Dem ernsten Mann wurde warm ums Herz bei diesen Worten seines Kindes. Tränen brachen aus seinen Augen hervor; er fand kein Wort, auch der Knabe fing an zu weinen. Dann gingen sie hinaus auf den Freithof und pflanzten das Bäumchen mit seinen Lichtern am teuren Grabe auf als ihrer Liebe Zeichen. Als sie wieder heimgekehrt waren, senkte sich in die Brust des Mannes wieder jener Sang, der seine Seele am Sterbetage seiner Frau in der Kirche durchzogen, ohne daß er damals dafür den musikalischen Ausdruck gefunden hätte. Der Arnsdorfer Schulmeister setzte sich an sein altes Klavier und zum erstenmal ertönte jene wunderselige Weise, welche allen Zauber und alle Weihe der Christnacht in sich birgt: „Stille Nacht, heilige Nacht! Noch am selben Abend wurde es einstudiert, das neue Weihnachtslied. Als dann um die geheimnisvolle Mitternacht das Dorfkirchlein in festlichem Lichterglanz erstrahlte und der Priester mit zittriger alter Stimme das „Dominus vobiscum“ gesprochen hatte, erklang es vom Chor wie frohe Himmelskunde, die Herzen der Andächtigen weihend. 18484 1 .erklang vom Chor wie frohe Himmelskunde ... Ein echtes Weihnachtslied ist es, das der arme Schulmeister und Berg¬ bauernsohn einst sang, aus Not und Herzensqual entsprossen, in Tönen das Gebet einer hohen Seele. Das Lied gehört heute zur Weihnachtsfeier wie der Tannenbaum. Mil¬ lionen hat es entzückt. Beglücken, erheben wird es immerdar. (Aus „Der Mann mit den zwei Herzen und andere Erzählungen“ von Karl Krobath, Verlag J. u. R. Bertschinger, Klagenfurt.) 87
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