Mißgestimmt und erregt trat er den Heimweg an. Düster bahnte sich des jungen Tages Licht den Weg in die Wohnstube des Schulhauses. Der Sturm hatte nachgelassen. Herinnen und draußen war es kirchenstill. Der Lehrer beugte sich über sein Weib. „Maria!“ Eine furchtbare Ahnung zuckte in dem Manne auf. Er stürzte auf das Bett der Dulderin und ergriff ihre Hand. Sie war noch warm, sich aber das Auge war verglast, das Antlitz fahl und ein braves Frauenherz schlug nicht mehr. „Maria . .. mein Weib . . .!“ schluchzte er unter wildem Aufschrei. Neben dem grausen Tode schlummerte friedlich das keimende Leben, der lockige Liebling der Mutter. Schon deckte Schnee den Grabhügel der Lehrersfrau. Die Weihnachtszeit war gekommen. Es war Christabend. Im tiefen Sinnen saß der Lehrer in der Stube. Noch stand alles so, wie es die Gefährtin trüber Tage verlassen hatte. Bilder entschwundenen Ehe¬ glückes tauchten in seiner Seele auf. Wie hatte die stille, bleiche Hausmutter geschäftig am Christabend die Hände geregt; wie hatte sie mit schneeig blin¬ kendem Linnen den Lärchenholztisch gedeckt, die Lichtlein der aus Bilderbögen geschnittenen Krippe in der Ecke angezündet; wie geheimnisvoll freudig hatte sie den Mann mit einer Christgabe überrascht. Das war alles damals ge¬ wesen, als eine weiche Hand die Sorgenfalten auf seiner Stirne geglättet hatte. Nichts gemahnt in der Stube an Weihnacht. Oede und freudlos der zier¬ Raum, düster wie der einsame Mann. lose Mitten im Sinnen wurde er durch eine helle Kinderstimme unter¬ brochen: „Darf ich eintreten, Vaterle?“ Ohne Antwort abzuwarten, stürmte der kleine Franz ins Zimmer. In seiner Hand hielt er ein Tannenbäumchen. Darauf brannten einige Wachskerzlein, inzwischen von Goldflitterfäden schau¬ kelten sich Aepfel und Nüsse an schlanken Zweigen. 625 2 7 Dann gingen sie hinaus auf den Freithof und pflanzten das Bäumchen... „Woher ich's hab' Vater?“ Die Nachbarn haben mir's geschenkt. Der Veltenbauer ging sogar eigens in den Wald hinaus, mir das Bäumlein zu chlagen. Die alte Lina aber hat mir die Kerzen geschenkt. Sie sagte, daß ein Christbaum ohne Lichter gar kein Christbaum sei, und als alles fertig war, hat sie mir anzünden geholfen. Weißt ja, Vater, 's ist Christabend heute. Da freuen sich alle guten Menschen. Sie haben es heute so schön. Auch wir haben eine warme Stube. Aber die Mutter draußen am Kirchhof! Die kann sich nicht freuen und hat so kalt in der Erde. Da will ich ihr das Christbäumlein auf das Grab tragen, damit auch sie weiß, daß heute Weihnachtsabend ist.“ 86
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