Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

MARTEREN und Grabinschriften Von Dr. Erlefried Krobath Noch um die Wende des vorigen Jahrhunderts waren dem Wanderer in den Alpengegenden die „Marterln“ eine vertraute Erscheinung im Land¬ schaftsbild. Das „Marterl“ war gewöhnlich eine kleine hölzerne Tafel mit einer schrägen Wetterleiste, die am Ort des Unfalles an einer eigenen Holzsäule oder an Bäumen befestigt wurde. Diese Tafel zeigte eine vom einheimischen „Tuifelemaler“ (Täfelchenmaler) verfaßte bildliche Darstellung eines Unglücks¬ falles, der nicht selten durch selbstverfaßte, auf das Ereignis bezughabende Reime ergänzt war. In diesen Reimen versuchte der unbekannte Poet sehr oft, der letzten menschlichen Stunde eine heitere Seite abzugewinnen, die mit¬ unter mit tiefer Innigkeit und unbewußter Komik gepaart ist. Diese Denk¬ mäler heimischer Kunst entschwinden immer mehr unserem Blickfeld, sie sind ja aus sehr vergänglichem Material geformt. Der im Alter von 87 Jahren verstorbene Direktor der Universitäts¬ bibliothek Innsbruck, Ludwig von Hörmann, dessen 25. Todestag sich am 14. Februar 1949 jährte, hat sein ganzes Leben dem Sammeln dieser Schätze der Volksweisheit geweiht. Im Jahre 1887 veröffentlichte er bei I. G. Lieb¬ kind in Leipzig drei kleine Bändchenunter dem Titel „Grabinschriften und Marterln“ in welchen er der Nachwelt eine Beute jahrelanger Wanderungen erhalten hat. Die folgenden Zeilen bringen eine kleine Auslese aus dem vor¬ erwähnten Werke. Durch einen Ochsenstoß Kam ich in des Himmels Schoß. Mußt ich auch gleich erblassen Und Weib und Kind verlassen, 4 11 Kam ich doch zur ewigen Ruh' Durch dich, du Rindvieh du. Kaspar Werndli 4—X. (Am Wege nach Salthaus, Passeier.) Gedenke im stillen Gebete des am 11. Jänner 1884 beim Taxenziehen verunglückten Sebastian Tagwerrer Bauernsohnes zu Jodler. Von Adams Erben muß ein jeder sterben; Nur weiß er nicht wo und ob so oderso. Doch ist es nichtweit in die Ewigkeit, Um 6 Uhr ging er fort, Um 8 Uhr war er dort. (Am Weg zum Kitzbühler Horn.) 81

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