Büchel, das will ich dir einmal zeigen, da wirst alle berühmten Schneider darin finden. Deswegen, Waldbauernbub, wenn du in dir wirklich Neigung und Talent zu diesem Stande empfindest, so bleibe da, und ich will dir lernen, was ich selber kann. Ich neigte dankend meinen Kopf. „Du wirst dich“, fuhr der Meister fort, „von den Beschwerden des Berufes nicht abschrecken lassen. Vereitwilligkeit und Genügsamkeit ist wohl das erste, was ich verlangen muß. Ich will dich so halten, wie mich vorerst mein Meister gehalten hat. In der Woche arbeiten wir auf der Ster') und haben dort Kost und Liegerstatt. Zum Samstag¬ feierabend gehst allemal zu deinem Vater heim, der hat dir das Sonn= und Feiertagsquartier, die Kost und das Gewand zu geben. Sind wir an Sonn¬ und Feiertagen dort zum Mittagmahl geladen, wo wir die Woche zuvor ge¬ arbeitet haben, so komm'. Auch in die Sonntagsschul' mußt gehen, weil du bei deiner Freisprechung ein Religionszeugnis brauchst. Deine Lehrzeit dauert wenn du brav und fleißig bist — lasse ich dich frei¬ — drei Jahre; nachher sprechen und dann steht's dir frei, wenn ich dich brauch', für einen Wochen¬ lohn bei mir zu bleiben oder in die Fremd' zu gehen. Wenn's dir so recht ist?“ Wem sollte das nicht recht sein? Später, als der Alpelhofer wieder in die Stube trat, um für das Mittag¬ mahl Suppenbrot aufzuschneiden, sagte zu ihm mein Meister: „Gelt, Bauer, du bist schon so gut, daß ich meinen neuen Lehrburschen bei dir anfangen — „Ja, wegen was denn nicht?“ antwortete der Alpelhofer, lassen darf?“ „mich gfreut's. Wie heißt er denn, der jung' Schneider? Peter, so? Peter liegt er nit, so steht er. Na, wenn heut' der erst' Tag ist, da müssen wir ihn ja einstallen (installieren). So, da hast einen Löffel, Peter. Schau nur zum Essen, daß du stark wirst. Vom Waldbauern bist ein Sohn? Brav, brav! Geh, Naz, leg' weg die Arbeit, 's ist zum Essen, Schneider.“ Heute noch sehe ich ihn, den guten Alten mit den blauen Augen und den grauen Haaren. Er war ein großer Mann mit etwas vorgebeugtem Haupte, auf dem einst Drangsal gelastet hatte; er war nun schon bei den Siebzigen oben, aber noch so stramm und flink und warmherzig in allem, was er tat und sprach. Seit zweiunddreißig Jahren war er Dorfrichter in Hauenstein; in dieser Zeit ist zu Hauenstein nicht einer wegen Steuerrück¬ ständen gepfändet worden, denn der Alpelhofer zahlte allemal vorläufig alles aus seinem Säckel. Ja, die armen Kleinhäusler in der Gemeinde wußten oft gar nichts und erfuhren nichts davon; und erst spät, als man den alten Alpel¬ hofer hinausgetragen auf den Gottesacker und daneben im Wirtshaus ge¬ schwind einen andern zum Richter gewählt hatte, wunderten sich die paar Kleinhäusler, daß sie nun auf einmal Steuern zahlen mußten. Als nun an diesem ersten Tage meiner Schneiderschaft Abend geworden war und auf eine Stunde die „Lichtfeier“ eintrat, fragte mich der Alpelhofer: „Petrus, was spricht Paulus?“ Als ich darauf nicht antworten konnte, gab mir mein Meister ein: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.“ Hierauf winkte mir der Alpelhofer mit gekrümmtem Zeigefinger, daß ich ein bißchen mit ihm kommen möge. Er führte mich in den Keller hinab und mit einem Kerzenlicht zwischen Rüben und Erdäpfelhaufen hindurch zu einem Holzbänklein. Dort schaffte er ein Gläschen Branntwein zustande, hob mir es in die Hand und sagte: „Petrus, den trink aus! Auf Glück!“ „Auf Glück, Alpelhofer!“ sagte ich und war in meinem Gemüte sehr bewegt. Dann nippte ich von dem guten Geiste, der mir augenblicklich frischen Mut ins goß. Herz „Schneider werden“, sagte nun der Bauer, wie ist dir denn das einge¬ fallen? Alleweil in der finsteren Stuben sitzen; in den meisten Häusern lassen 1) Bei den Bauern gegen Kost, Wohnung usw. 78
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