□ Eawwrnnn Tace Von Peter Rosegger Wir lebten noch alle beisammen, wie uns Gott zusammengetan hatte. Aber das sollte nun auf einmal ein Ende haben. „Für einen Bauersmenschen ist er zu kleber (zu schwächlich, zu nichtig), wird halt ein Pfarrer oder ein Schneider müssen werden.“ Das war das Resultat der Beratung, welche eines Abends in der Stube des Waldbauern abgehalten wurde, und wobei ich, auf dem umgelegten Melkzuber!) reitend, zurück¬ den Vorsitz führte. „Zu kleber nicht“ meinte ich, wurde aber sogleich so ein gewiesen, als mein Vater sagte: „Was hilft denn 's Reden! Wenn siebzehn Jahr' alter Stock einmal auf einem alten Melksechter kann reiten, ohne daß die Daufeln (Dauben) einbrechen — nachher weiß man's“ Ich schnellte vom Zuber empor; als sich später mein jüngerer Bruder — Mein Bruder blieb daraufsetzte — knack, waren die Dauben eingeknickt. in der Wirtschaft und ich als „Schwächling“ mußte nach einem spartanischen Gesetze, welches der Kampf ums Sein aufgebracht hat, aus dem Hause. Meine Mutter ging nun bei den Geistlichen um, Hilfe heischend, daß ich in die Studie kommen könnte. Der alte Dechant von Birkfeld war ein ehr¬ licher Mann, der sagte meiner Mutter folgendes: „Tu die Waldbäurin das bleiben lassen! Wenn der Bub sonst keine Anzeichen für den Priester hat als just, daß er schwach ist, so soll er was anderes werden. Schwache Priester haben wir eh genug. „Aber zum Beichthören und Predigen, meint der Bub, wollt' er nicht zu kleber sein“, bemerkte die Mutter. „Was weiß der jung' Lapp vom Beichthören und Predigen! Fürs eine gehört eine gute Stimme, fürs andere ein guter Magen. Er soll ein Hand¬ lernen. werkNun, so ging denn meine Mutter vom Herrn Dechanten zum Schneider¬ meister von Hauenstein; sie hätte einen Buben, der Schneider möcht' werden. Was ihn auf diesen Gedanken brächte? Na, weil er halt so viel kleber wäre. Stand der Meister auf und sagte: „Jeder Mist will heutzutage Schneider sein. Ich will der Waldbäurin nur sagen, daß der richtige Schneider ein kern¬ gesunder Mensch sein muß. Einmal das viele Sitzen; nachher zur Feierabend¬ zeit, wenn sich andere Leut' ausruhen können, das weite Gehen über Berg und Tal, wie es in unserer Gegend schon sein muß, und das ganze Zeug mit¬ chleppen, wie der Soldat seine Rüstung. Hernach die unterschiedliche Kost: bei einem Bauer mager, beim andern feist; in einem Haus lauter Mehl¬ speisen, im andern wieder alles von Fleisch; heut' nichts als Erdäpfel und Grünzeug, morgen wieder alles Suppen und Brei. Ein Magen, der das aus¬ hält, muß in b'sonderer Gnade Gottes stehen. Und red' ich erst von den unter¬ chiedlichen Leuten, mit denen man sich abgeben muß: da eine bissige, brum¬ mige Bäurin, der kein ordentlicher Zwirn feil ist; dort ein geiziger Bauer, der mit seinen närrischen Spässen den Handwerker erheitern und satt machen will. Drauf ein alter Polterer, ein jähzorniger Knopf oder sonst ein unsauberer Patron. Und die ungezogenen Bauernknechte und die ungekämmten Weibs¬ leute — in jedem Hause eine andere Schwachheit. Und all' die Leut' soll der 1) Milchgefäß aus Holz. 75
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2