Sind sie nicht Eins? Feld und Wald? Leben und Tod? Ich gehe heiter und geborgen in die Gewißheit des ewigen „Stirb und de“ der dunklen Wand entgegen. Wer Gewaltig hohe Bäume, deren Kronen sich über dem Weg in brüderlicher Eintracht verschlingen, reihen sich zu meiner Rechten und Linken. Nicht düster mehr im Wechselspiel der grünen Töne, die von der Sonne Strahlen ver¬ schwenderisch gestaltet, ist das erst dunkel gesehene Reich. Still und friedlich wirddas nach der farbigen Buntheit des Lebens suchende Herz. Bereit bin ich, mit den Stimmen des Waldes ein kleines Lied zu singen, o für mich hin, ohne zu denken, wohltätige Ruhe um mich und in mir. nur Lichter wird der Wald! Eine einsame schlanke Fichte hält Wacht über demTal. Noch gilt es, ein kleines Stück den Hohlweg zu durchwandern, ehe sich der Tempel Gottes dem entzückten Auge dartut. Nur die zwei Türme grüßen — schon herüber. Da — oder der Blick ist frei! Lebend gewordener Stein Stein gewordenes Leben? Nicht hineingestellt in die Landschaft, nein, ver¬ wachsen mit ihr. Wie der Bauernhof dem Leben und dem täglichen Brot gehört, so ist dieses Haus die Heimat jener Stunden, da die Seele sich los¬ lösen will vom Irdischen. Gottes Haus, ja Gotteshaus — ein Gott geweihtes Haus. Versunken gehe ich über die steinernen Stufen der überdachten Treppe in den Gottesacker hernieder. Abgewetzt und ausgetreten sind die Platten von vielen, vielen Schritten, die in all den Jahren darüber hingegangen. Könnten dieSteine sprechen, sie hätten Vieles uns zu sagen. Blumen leuchten von den Ruhestätten, der Kreuze düstere Strenge wirft lange Schatten auf die kiesbestreuten Wege. Das Tor des heiligen Raumes nimmt mich auf. Stille noch, kein mensch¬ liches Wesen. Dunkel glänzen die schweren Betstühle im matten Licht der hohenFenster. Behutsam gehe ich durch den Raum, bedacht, den Laut des Schritt's zu dämpfen. Seitwärts vom Altare wähle ich mir einen Chorstuhl Sitz. zum Schon stört der Schritt von Menschen mich aus meiner Stille auf. Lang¬ samheben sich aus den Reihen der Stühle immer mehr und mehr Gesichter. allen der Widerschein von Sammlung und Erwartung. Auf Feierliche Stille. Wie ewige Wasser stürzen die Töne über mich hin, mächtig aufrauschend, die alltäglichen Gedanken, die sich noch in den Herzen der Zuhörer festklam¬ mern, entwurzelnd und mit sich fortreißend. Ich lasse mich auf der Flut der Töne treiben, die Umwelt versinkt um mich, mein „Ich“ steigt empor, will trinken, trinken, sich satttrinken an den Tönen. Bilder formen sich in mir, die Töne nehmen Gestalt an, ich nehme ihr Leben auf, spinne die Gedanken weiter, immer erfüllt von der Kraft der Musik, die in mir und um mir ist. Kurze Minuten der Ruhe, erschauernd findet mein Auge zurück in die Wirklichkeit, aufgewühlt die Gesichter um mich. Schon klingen Stimmen auf. „Ave Maria.“ Friede. Die Wogen glätten sich langsam, weiche, mütterliche Gefühle steigen auf, lassen von Blumen träumen in stillen Gärten, von guten Frauen¬ händen und Augen, die über jungem Leben wachen. Wieder klingt die Orgel auf, steigert sich, mächtiger und immer mächtiger. Wie die Zeit verging, ich weiß es nicht mehr. Himmelsstimmen jubeln. „Er ist gnädig, gnädig“, klingt es nochmals auf, beschwörend, zuversichtlich, dankbar. Zittert nicht ein feiner, ferner Sonnenstrahl über das Antlitz des Allmächtigen am Altare? Wieder ballen Orgeltöne sich im Raum, flattern auseinander wie Vögel 120
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