Orkan gleich, das Lokal. Meine Frau brüllte am allerstärksten. Geistesgegen¬ wärtig erklärte ich sofort, daß ich die Anwesenden nur auf die Probe stellen wollte und daß es mich freue, daßauch sie meinen Vorsatz so ernst auffaßten. Dann trollte ich mich nach Hause. Meine freiwillige Abstinenz ertrug ich lange Zeit spielend leicht. Den ersten Tag hatte ich gar keinenAnstand und als ich am zweiten Tag den chüchternen Wunsch nach einem Seidel Bier äußerte, schrien sowohl meine Frau als auch die drei Buben ununterbrochen „Evviva Italia!“ Meine Ge¬ mahlin hatte in der Zwischenzeit bereits Badekostüme, Reisekoffer und anderes für die Reise Wichtige eingekauft und war in dieser Zeit der Vorbereitung icherlich die liebenswürdigste, süßeste Frau des Kontinents. Neugierig war ich persönlich nur, wie es mir gelingen werde, sie von der Reise abzuhalten. Liebevoll hoffte ich, daß meine Frau eine Venenentzündung bekäme, oder, daß es gar möglich sein werde, mit dem Schiffskapitän zu unterhandeln über eine außertourliche Haltestelle im offenen Meer, bei welcher meine Frau aussteigen könnte. Doch ich bin Fatalist; warum sich schon jetzt über alle Möglichkeiten denKopf zerbrechen. Man wird ja sehen! Es kam der Sonntag. Ich lud meine Gemahlin zu einem alkoholfreien Spaziergang ein. Wir stiegen einen endlosen Berg hinauf. Die Sonne meinte es nicht gut mit uns, denn sie brannte ganz fürchterlich heiß herab. Da ich bereits wie ein Firmgöd schwitzte und auf der Bergspitze ein gutes Gasthaus wußte, erklärte ich meiner Frau, daß man in einer solchen Situation wieder Flüssigkeiten zu sich nehmen müsse, da sich sonst das Blut verdicke und einen leicht der Schleimschlag treffen könne. Meine Frau reagierte auf diese wissen¬ schaftlichen Vorträge nur mit einem lakonischen „Evviva Italia!“. Endlich waren wir oben. Auf den weißgedeckten Tischen des herrlichen, schattigen und kühlen Gastgartens sah ich in den angelaufenen Gläsern das frische Bier stehen. Der Schaum gustios, dick, ein Zahnstocher wäre darinnen aufrecht stehen geblieben. Semmelkörberl, Salzstangerl, Zigeunermusik bildeten die Umrahmung. Ich wagte einen letzten Vorschlag zur Güte. „Schau, liebe Hilde,“ bat ich, „ein einziges Glas Bier kann doch die Italienreise nicht gefährden!“ „Du sprachst doch von einem alkoholfreien Spaziergang“, entgegnete sie indigniert, „und jetzt willst du dein Wort brechen?“ „Fällt mir gar nicht ein, wortbrüchig zu werden“ ereiferte ich mich. „So¬ lange ich spazieren gehe, trinke ich auch nichts. Ich will mich doch in dem Garten zu dem Glase Bier setzen!“ Sie sagte nur: „Evviva Italia!“ Zum Unglück hörte ich, wie gerade frisch angeschlagen wurde. Ein Sprung der Verzweiflung, der jedem Tiger Ehre gemacht hätte, und ich war im Garten. Nun ging es los: die teure Gemahlin und die drei Buben, diese Lausbuben, schrien vor dem Eingange aus Leibeskräften fortwährend „Ev¬ viva Italia!“ Ich wollte sie mit abwehrenden Handbewegungen beschwichtigen. Alles vergeblich! Sie schrien wie besessen weiter. Plötzlich näherte sich mir ein Herr, der in seinem Knopfloch ein Abzeichen, das einen fünfzackigen Stern darstellte, trug. „Entschuldigen schon, san Sie vielleicht a italienischer Graf?“, fragte er michherausfordernd. „Nein, mein Bester, Sie müssen mich verkennen. Ich bin weder ein solcher, noch mit einem solchen verwandt“, war meine Antwort. „Na, was schreien dann die dort draußen so? Dann san S' halt doch min¬ destens a Graf“, stänkerte er weiter. „Nein, nein, das ist ein Irrtum von Ihnen, ich bin nur ein Drogist.“ Mittlerweile hatten sich die Gäste um mich angesammelt und ein Herr mit einem viermal abgebrochenen Kreuze im Knopfloch schnauzte den mit 115
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