Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

„Evviva Italia Eine selbst erlebte Geschichte aus dem Jahre ro3o von L. Steinbrecher Ich habe in meinem Leben schon viel Blödsinn gemacht, aber so etwas wie der im Nachstehenden beschriebene ist selbst für einen Glatzköpfigen zum Haarausreißen. Man kann halt das Ende nie voraussehen, denn jedes Drama fängt harmlos an, ganz harmlos * * Doch ich will ja keine Philosophie treiben, sondern meine Geschichte, die, ach, so tragische Geschichte meines größten Blödsinnes erzählen. Mit einigen Bekannten saßen wir —das heißt meine Frau (zuerst sei sie genannt) und ich —vor kurzem bei einem Glase Bier, es können auch mehrere Gläser gewesen sein. Wir sprachen über unsere berufliche Arbeit. Es wird wohl niemand zweifeln, daß der Biertisch der einzige Ort ist, wo ein olches Thema gründlich besprochen werden kann. Es soll zwar Menschen geben, die sich während der Arbeitszeit mit dieser Materie befassen, statt von Theater oder Fußball zu reden, aber das sind Ausnahmen. Eine solche Ab¬ normität dürfte auch ein Bekannter sein, der das Wort ergriff und von seiner eben beendeten Urlaubsreise erzählte. Er habe, erklärte er uns, gelesen, daß man alljährlich eine Reise nach Italien machen könne, wenn man das für Bier ausgegebene Geld zusammen¬ sparte. Er habe diesen Rat befolgt und nun komme er direkt aus dem herr¬ ichen Italien mit seinem tiefblauen Himmel, seiner goldenen Sonne und seinen göttlichen Marroni, Makkaroni, Mandolinen, Sardinen und Signorinen. „Siehst du, siehst du,“ seufzte meine Frau, wenn du nur für einen Gro¬ schen Energie hättest, aber du kannst ja diesen Fensterschwitz nicht entbehren! „Waas? Ich keine Energie?“ ereiferte ich mich gekränkt, „das ist doch Lachen!“ zum „Du wirst also kein Bier mehr trinken und dafür nach Italien reisen?“ jauchzte meine Frau in Verzückung auf. „Pomali heißt laufen und kralowat heißt kaufen. Das ist ein altes Wahr¬ wort“ besänftigte ich die Enthusiastin. „Man soll nie vorschnell einen Ent¬ schluß fassen, sondern immer gründlich überlegen.“ Da, wie eingangs erwähnt, jedes Drama harmlos beginnt, hatten ich und auch sonst niemand eine Ahnung, daß ein grausames Schicksal mich zu dem Hauptakteur eines italienischen Dramas bestimmt hatte, denn sonst hätte ich Unglücksrabe nicht diesen schäbigen Wanderredner animiert, weiter zu spre¬ chen, indem ich ihn, wie folgt, anredete: „Mein Verehrtester“, sagte ich, „bitte erzählen Sie uns noch etwas von Ihrer Urlaubsreise. Ist es schön in Italien? Wie geht es dem Herrn Nero? Ist er gesund?“ Nun fing der Verehrteste an. Aber wie!! Ich kann nur sagen, daß Jules Verne— der Herr schenk' ihm die ewige Ruhe — der reinste Waisenknabe gegen diesen Kerl war. Er erzählte, daß ihm Calabrien am meisten imponierte. Streckenweise sei üppiger Urwald mit Oliven=, Orangen= und Zitronenbäumen sowie Pal¬ men zu sehen. Während von den ersteren reines Tafelöl herabtropfe, hausten auf letzteren wilde Palmkätzchen und Palmesel. Dann gäbe es wieder eine 8 113

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