Im Treppenhaus war die Leichenfrau mit den Zurüstungen für die Ein¬ zurecht und segnung beschäftigt; sie zündete die Kerzen an, stellte Weihwasser wies die Ankommenden in das Trauerzimmer. Ihre Miene war dem Ernste ihres Berufes angemessen und nur flüsternd führte sie die Unterhaltung mit diesem und jenem Trauergaste. „Geln S', da Herr Seilinger? Aba schö liegt er drin, koa bissel entstellt! So sanft! Grad als wenn er schlafen tat. So a gsunder Mann und so plötzli schterben! I sag Eahna, was der Herr für a Gwicht g’habt hat, des is net zum glauben! Der muaß im Leben alleweil seine guaten dritthalb Zentner g’wogen ham. I hab zerscht gmoant, i kunnt'n alloa daheben beim Anziagn, aber da is koa Drodenka net g’wen. Erscht wia mir die Binder=Zenzl g’holfen hat, is ganga. Cenzl, hab i g'sagt..., Die Leichenfrau wurde unterbrochen durch das Herannahen der Geistlichkeit, welche die Zeremonie begann Eintönig hallten die tiefen Stimmen der singenden Priester durch den kalten Gang, und süßlicher Weihrauchduft füllte das Haus. Vor demselben hatten sich nunmehr alle versammelt, welche dem Toten das letzte Geleite geben wollten. Alle Vereine, denen Josef Seilinger angehört hatte, waren vertreten. Die Liedertafel, die Schützengesellschaft, der Tarockklub, die freiwillige Feuerwehr, der Veteranenverein und der Velozipedklub. Zum Zeichen der Trauer waren die Fahnen umflort wie die Schärpen der Fahnenjunker. Mit finsterem Ernste blickten die Männer unter den hohen Zylindern hervor; ihnen gegenüber, durch die Straße getrennt, stand die schwarzgekleidete Schar der Frauen. Die Blicke aller waren auf das Tor gerichtet, aus dem jetzt schwankend unter der Last des Sarges die Leichenträger schritten, gefolgt von der Geist¬ lichkeit und den Hinterbliebenen. Die Fahnenträger schlossen sich an, dann die Trauergesellschaft in her¬ gebrachter Ordnung. In langer, krummer Linie schlich der schwarze Zug durch die schnee¬ bedeckten Straßen; an den Fenstern lugten hinter den Vorhängen die alten Leute und Kinder heraus; die kleinen Häusler und Taglöhner standen vor ihren Hütten und entblößten ehrfürchtig die Häupter zum letztenmal vor dem dicken, reichen Josef Seilinger. S A 4 95 M # Die Bürger aber kürzten sich den Weg mit Gesprächen über das traurige Ereignis. „Ja, schnell hat's 'n grissen. Wer hätt' dös glaubt? Woaßt as no, Franzl, wia ma vorig's Jahr in Hausham beim Bierletzt g’wen san? J und da Reit¬ moar und du und da Seilinger? Wia ma z'letzt allsam so bsuffa g’wen san, daß ins 's Bier bei die Augen außa grunna is?“ „Freili woaß i's no. Wia nacha da Seilinger aufgstandn is und hat mit da Faust in Tisch einig’haut. Herrgottsakra, hat a g'schrian, trink ma no a Maß, ös Fretter, ös miserablige! I trink Enk allsamt untern Tisch eini. Und grad schnackerlfidel is er g’wen.“ 103
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2