Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

Das Begnähnis Von Ludwig Thoma. Am Dienstag, den 3. Januar, verstarb der Realitätenbesitzer Josef Sei¬ linger eines plötzlichen Todes. Er war wie alltäglich beim Sternbräu zum Abendschoppen eingekehrt, trank mit sichtlichem Behagen seine drei Maß Bier und sprach sich mit ge¬ wohnter Lebhaftigkeit über die Schlechtigkeit der preußischen Zustände aus. Um sieben Uhr verließ er die Gaststube und begab sich in die Küche, um von der Frau Wirtin zu verabschieden. Er wechselte einige Scherzworte sich ihr und sagte noch: „Jetzt pfüat Eahna Gott, Sie Schneckerl, Sie liab's mit fiel er plötzlich streckterlängs zu Boden und war mausetot. da Nun lag er den zweiten Tag aufgebahrt im Prunkzimmer seiner Wohnung. In dem frostigen, unfreundlichen Raume nahm die tiefverschleierte Witwe Beileidsbezeugungen entgegen. Es war ein stetes Kommen und Gehen. die Die ehrsamen Bürger traten schweigend mit ihren Frauen an die Bahre. Sie legten alle gleichmäßig die Stirne in ernste Falten, verzogen die Mundwinkel und sahen lange und ausdruckslos noch einmal in das breite Gesicht des Verblichenen. Die Frauen drückten schluchzend die Taschentücher an ihre nassen Augen zählten im geheimen die Kranzspenden. und Nach einer anständig bemessenen Pause traten die Besucher zu den Leid¬ tragenden und sprachen Worte des Trostes. „Wer hätt' dös glaubt, Frau Seilinger? So a g’sunder Mann! Vor drei — gel Tag hab i'n no übern Marktplatz geh sehgn und zu mein Mann gsagt — — Schorschel? schau hi, hab i gsagt, da geht der Herr Seilinger. Und jetzt a so a Mann ...!“ ,—— Ja, ja, der Seppl! I hätt's a net gmoant, daß eahm so schnell derwischt, Frau Seilinger. Am letzten Sunntag san ma no so zünfti beinand gwen, und heint liegt er do... Ja, ja, das menschliche Leben! „Trösten S' Eahna, Frau Seilinger! Gunnen S' eahm sei Ruah. Eahm is wohl! Wer woaß, was eahm alles derspart blieben is, und wia bald daß selber außitragn mit die Füaß voro.“ uns Und wenn die trauernde Witwe zustimmend mit dem Kopfe nickte, rühmte die Frau noch die Schönheit und die Zahl der Kränze. „De vielen, vielen Kränz' und de schönen Blumen, Frau Seilinger! Es ist doch auch a gewisser Trost, wenn ma sieht, wia oan de Leut in Ehren halten. So was muaß noch gar net dag'wesn sein.“ Dann blickten die Besucher der Witwe noch einmal tieftraurig in die en und machten anderen Platz. Aug Draußen bemerkte die Frau flüsternd: „Hast as gsehgn, Schorschl? Mit dera Trauer is' a net weit her. Grad drucka hat s’ müassen, daß s’ a paar Träna außerbracht hat. Und den Aufwand! An glatten Kaschmirrock mit Schürzendraperie und Krepp=de=Schin=Ausputz, a gschweifte Schoßtaille mit an Latzteil, und am Rand matte Holzperlen. Statt a Schneppenhaubn hat an Kapotthuat mit an schwarzen Bleamelbukett, und den Schloar!“ „Na, Na! I woaß net, daß de Leut koa rechts Gfühl nimma ham. Da quat Seilinger, wenn s’ sehg'n tat, wia s’ dasteht, nacha drahet er si um. 102

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