Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1949

„Ist einmal ein Bauer gewesen“, begann er, „und der hat ein Weib gehabt, gar ein armes, krankes Weib. Und einmal an einem heiligen Ostermorgen, da ist ihm das Weib gestorben. Wie die Seel' von dem Leib abgeschieden ist ge¬ wesen, da ist sie dagestanden ganz mutterseelenallein in der finsteren Ewigkeit. Kein Engel hat wollen kommen und sie führen und weisen hinein in das himmlische Paradies. Christi Auferstehung wird gefeiert im Himmel, hat es geheißen, und da hat kein Engel und kein Heiliger Zeit für die arme Seel', daß er sie tät' weisen. Die arme Seel' ist aber gewesen in unaussprechlicher Angst, sie hat bedacht, daß sie ihrer Krankheit wegen schon lange in keine Kirche hat kommen mögen. Und sie hat schon allweg die Teufeln winseln und pfeifen gehört und sie hat gemeint, jetzt ist sie verloren. O mein heiliger Schutzengel und Namenspatron! hat sie gerufen, kommt mir zu Hilf' in dieser Not, sonst muß ich hinab in die Höllenglut! — Aber sie sind halt alle beisammen ge¬ wesen im Himmel bei der Auferstehung Christi. Darauf ist das arme Weib schon zum Hinsinken gewesen ohne Trost und Beistand, aber auf einmal ist unsere liebe Frau gestanden an ihrer Seiten, gehüllt wohl in ein schneeweißes Kleid und in der Hand zur schönen Zier einen Kranz von Rosen. „Sei gegrüßet und getröstet, du armes Weib!“ hat sie lieblich gesagt zur abgeschiedenen Seel', „du bist eine fromme Dulderin gewesen all' deiner Tage lang und an jedem Samstag mein hast du gefastet mir zu Lieb' und das, was dir dadurch übrig¬ geblieben, hast du den Armen gereicht, mir zu Lieb'. Das will ich dir nimmer vergessen, und wenn mein lieber Sohn seine glorreiche Auferstehung feiert an diesem Tage, so will ich deiner gedenken und dich hinaufführen zu seinem gol¬ denen Thron und zu deinem freudenreichen Platz im Rosengarten bei den Engelein, den ich bereitet habe dir zu Lieb', und wo du kannst warten auf Mann und Kinder.“ Und darauf hat unsere liebe Frauen das arme Weib bei der Hand genommen und hinaufgeführt in den Himmel. — Deswegen sag' ich, ein Fasten und ein Almosen zu Ehren unserer lieben Frauen ist gar ein gutes Werk.“ So erzählte der Matthias im braunen Hemde. „Auch unsere Waldbäuerin, die wir morgen bestatten, hat gern gefastet, sagte ein Weiblein, „und rechtschaffen gern gegeben. Der Vater schluchzte vor Rührung. Der Gedanke, daß seine Gattin nun im Himmel sei, legte ein gar liebliches Licht in sein betrübtes Herz. Die alte, rußgebräunte Hängeuhr — das war dieselbe, welche seit dem fröhlichen Hochzeitstage des Waldbauers alle Stunden getreulich gezählt, die freudvollen und die leidvollen; welche die erste Stunde wies, als voreinst das Knäblein geboren wurde in der Sonntagsfrühe, welche nun nach vielen Jah¬ ren die sechste Stunde zeigte, als der Erlösungsengel durch die Stube zog und seinen Kuß der Dulderin auf die Stirne drückte — die Hängeuhr rückte ihren Zeiger jetzt gegen zwölf. Und als so ein vergangenes Leben gemessen war wie ein einziger Tag da sagte mein Vater: „Bub, geh' — von Sonnenaufgang bis Niedergang hinaus in den Stall und leg' dich ein Stündlein aufs Stroh, daß du ein wenig magst rasten. Wenn es Zeit ist, will ich dich schon wecken.“ Ich ging hinaus, tat in der Lauben noch einen Blick auf die Bahre und trat dann in die freie, kalte, sternenvolle Nacht. Die Mondessichel war hinter die Wälder gesunken; ihren letzten Strahl hatte sie noch durch die Türfuge gleiten lassen auf das Bahrtuch — morgen, wenn sie wieder aufging, war dieses arme Menschenwesen ja schon in der Erde. So lag ich nun im Stalle auf dem Stroh, wo sonst meine zwei Brüder schliefen. Neben mir, an Hängketten, standen oder saßen die drei Rinder und scharrten im Wiederkäuen mit den Zähnen. Es war eine dunstige Wärme in 86

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