sich das Brot zu erwerben, und eine Schwester blieben bei ihnen und übten Pflege an der armen Mutter. Der Vater ging allweg über die Berge zu frem¬ den Aerzten und verschrieb ihnen schier sein Leben, wenn sie jenes seiner Gattin retten könnten. In dem Häuschen sah es armselig aus. Die Kranke duldete still. Ihr Augen¬ licht wollte sie verlassen, ihr Denkvermögen wollte sich auflösen. Der Tod klopfte in wiederholten Schlaganfällen an ihr Herz. Oft schien sie schwer zu nur nach ihrem leiden, aber sie schwieg; sie hatte nichts mehr mit der Welt — Gatten, nur nach ihren Kindern fragte sie. — Es war ein jahrelanges Sterben. Ich habe sie in dieser Zeit oft besucht. Sie erkannte mich kaum, wenn ich an ihrem Bette stand; dann sagte sie doch wieder wie im Traume: „Bist dus, Peterl? Gott sei Lob und Dank, daß du wieder da bist!“ der Im Hochsommer trugen wir sie einmal mitsamt dem Bette aus dumpfen Stube in das Freie, daß sie noch einmal den Sonnenschein sehen ollte. Ich weiß nicht, ob sie ihn sah, sie hielt das Auge offen und blickte die Sonne an, die Sehnerven schienen erstorben zu sein. Da kamen plötzlich Tage, da sie umgewandelt war. Sie war heiter und verlangte ins Freie. „Wirst mir doch wohl wieder gesund, Marie, und wir bleiben noch eine lange Weil' beisammen, sagte ihr Gatte. „Ja“ antwortete sie. Und jetzt war es vorüber dieses reiche, arme Leben voll Liebe und Leid. Als ich endlich nach stundenlangem Wandern durch die Wälder des Alp¬ steigs das strohgedeckte Häuschen am Berghange sah, da war es wie ein bläu¬ licher Schatten über Wald und Feld und allem und doch lag der Sonnentag darüber. Aus dem kleinen Rauchfange stieg ein grauer Hauch. — Ahnt sie's, daß ich komme, kocht sie mir meine Lieblingsspeise? — Nein, fremde Leute bereiten ein Totenmahl. Lange standest du vor der angelehnten Haustür, deine Hand zitterte, als sie endlich an die Holzklinke legte. Da ging die Türe auf, da tratest du ein, da war es dunkel in den engen Vorlauben, nur ein mattes Oellämpchen flatterte in einem Glase und da sahest du's wohl — an der Wand, unter der räucherigen Bodenstiege, auf einem Brette lag die Bahre, ganz zugedeckt mit einem großen, weißen Tuche. Zu Häupten stand ein Kruzifix und die Schale Weihwasser mit einem Tannenzweig... die Da fielst du nieder auf's Knie... Endlich kam die Träne. Die Träne, und uns einst das Mutterherz mitgegeben auf die Welt zur Linderung im Leid zum einzigen Trost in der Stunde, wo kein anderes Heil der Seele naht, wo die Freunde uns nicht verstehen können und das Mutterherz gebrochen ist. O, sei gegrüßt, du reiches, ewiges Erbe! Jetzt ging leise die Stubentür auf und Maria, die jüngste Schwester, trat heraus. Sogleich hub das Mädchen laut zu weinen an, als es den Bruder sah, von dem sie alle so oft gesprochen, nach dem der Mutter letzter Blick gefragt und der in der Ferne war, als sie das Auge schloß. Nun lag er da und weinte um ihre Lebenszeit. Selbst ihre Kinder daheim hatten geschlafen in der Sterbenacht. Erst als das Morgenrot durch die Fensterchen leuchtete, ging der Vater zu ihnen in die Kammer und sagte: „Tut die Augen auf und schaut, über den Wechsel steigt schon die Sonne herauf und unsere liebe Frauen tut drin sitzen mit dem heiligen Christkindlein und auf dem Schemel zu ihren Füßen sitzt eure Mutter und tut aus einem Rocken das himmlische Kleid spinnen.“ 83
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2