regen, gut essen und trinken und keine Medizin — nur keine Medizin, hat er gesagt. Nachher wird's schon wieder gut werden.“ Darauf verging eine Zeit. Mein Vater trachtete nach dem Ausspruche des Steffel, von dem er glaubte, daß er der Ausspruch des Stegthomerl wäre, die Mutter zu pflegen, und als der Winter kam, saß sie am Spinnrocken und spann. Die Maus hatte den Faden nicht entzweigebissen. Im selbigen Winter kam die Nachricht, daß unweit des Schanzwirtes auf der Fischbacheralpe der Stegthomerl erfroren unter dem Schnee gefunden worden sei. Wir beteten für ihn ein Vaterunser. Der Samersteffel, der bisweilen zu uns kam und stets der gute, heitere Mann blieb, hatte dem Thomerl auch verziehen, und zwar einzig nur, weil dieser damals unrecht gehabt. Mir fehlte — um nun wieder auf unsere übrigen Verhältnisse zurückzu¬ kommen — alle Freude an dem Bauernstande und freilich auch die Kraft dazu. Ich ging denn zu einem Handwerk, aber den Eltern konnte ich nicht helfen. Die Sonntagskost, die ich daheim hatte, wollte ich dem Vater zahlen, er nahm nichts, er sagte, ich sei nach wie vor sein Kind, nur nicht so viele Späne brennen sollte ich in den Samstagnächten, wenn ich zu Hause wäre. „Mein, so laß' ihm die Freud', er hat sonst auch keine“, sagte da die Mut¬ ter und war meine Fürbitterin. Da wurde es mit mir anders. Der Abschied von meiner Mutter war hart, aber nach kurzer Zeit hatte sie es erfahren, daß mein Leben ein glückliches geworden. Wie nun das Glück da war, so kam bald der Neid herangehumpelt — oder die Dummheit? Ein Gerücht ging in den Waldbergen: „Es wär' so weit chon recht mit dem Peter, aber wie's eben geht in der Stadt, vom christlichen Glauben wird er absallen.“ Und bald hieß es weiter: „Saubere Geschichten das! Wird ihm auf einmal die ehrlich' Arbeit zu schwer und die rechtschaffen Kost zu schlecht, geht in die Stadt und ißt Fleisch am Tag unserer lieben Frau und fällt ab vom Glauben.“ Meine Mutter hatte zuerst gelacht, als sie das hörte, sie kannte ja ihr Kind. Dann kam ihr aber der Gedanke: „Wenn's denn doch wäre! Wenn ihr liebes Kind denn doch auf Gott vergäße und verloren ginge! Sie hatte keine Ruhe, sie ging und borgte Kleider aus von der blinden — Jula und borgte von einer gutherzigen Hausiererin drei Gulden und reiste krank und hinfällig, an jeder Hand einen Stock — in die Hauptstadt. Sie wollte sich überzeugen, was Wahres war an der Leute Gerede. Sie fand ihr Kind als armen Studenten in schwarzem, geschenktem Rock und mit zurückgekämmten Haaren. Das gefiel ihr schon nicht recht, doch gelang es, sie zu beruhigen. Aber sie sah in den zwei Tagen ihres Aufenthaltes in der Stadt überall das tolle, leichtsinnige Treiben, sah Außerachtlassung von alten, ihr ehrwürdigen Ge¬ bräuchen und Spott über Dinge, die ihr heilig waren, und sie sagte zu mir: „Unter solchen Leuten wirst doch nicht bleiben können, Kind, sie täten dich zu¬ grunde richten.“ „Nein, Mutter“ antwortete ich, „denken kann man, was man will, und gute Gedanken können die Leute nicht rauben.“ Sie schwieg. Aber als sie zurückkam in die Waldberge und wieder das Ge¬ rede hörte, war sie gebrochener als je. Mit der Wirtschaft war es nun entschieden. Haus und Hof wurden ver¬ äußert, den Gläubigern überlassen; meine Geschwister verdingten sich an fremde Bauern. Den hilflosen Eltern wurde ein Häuschen angewiesen, das bisher zum Gute gehörte. Mein jüngster Bruder, der noch nicht imstande war, 82
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