Jetzt war's die höchste Zeit. Wir packten eilig zusammen und fuhren heimwärts. Es war schwül und schattig, der Himmel hatte sich mit Wolken bedeckt, es meldete sich kein Tier, es rührte sich kein Wipfelchen, unser Wagen knarrte schwerfällig dahin. Meine Mutter lag still in ihrer Ecke und schaute mit ihren großen, dunklen Augen die dämmernde Welt an. Der Steffel saß wutschnaubend auf seinem Bock, allmählich jedoch wurde er ruhiger und nun brummte er: „Aber einen solchen Rausch haben!“ „Wer?“ fragte ich. „Ein solcher Rausch ist wirklich der Mühe wert, daß man eine Tagreise weit fahrt und ihn anschauen geht“, fuhr der Steffel fort. „Hab' mir's ja sagen lassen, daß es selten soll nüchtern sein, das alte Kamel; und heut' ist es gerade¬ wegs vom Schanzwirt gekommen.“ „'s wird wohl gut gewesen sein“, sagte nun meine Mutter, „wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er mir die Wahrheit nicht gesagt.“ Und so sind wir schwer betrübt dahingefahren. Ueber den Bergen her hat der Donner gemurrt, ganz heiser und dumpf; aus der Ferne her hat die Wetterglocke von Fischbach geklungen. Da richtete sich meine Mutter auf und sagte: „Eins mußt mir zu Lieb tun, Peter, und den Steffel will ich auch bit¬ ten: dem Vater, meinem Mann, tut es nicht sagen, was der Stegthomerl ge¬ sagt hat.“ — „Tat' sich wahrlich nicht auszahlen, daß man so eine Narrenred' weiter¬ sagt“, rief der Fuhrmann sehr laut, „aber zum Gericht geh' ich! Verklagen geh ich ihn! Das tu ich!“ „Bitt' dich gar schön, Steffel, laß' das sein“ bat meine Mutter, „mußt nicht glauben, daß ich mir das Wort so schwer leg', ich hab' mir's selber oft¬ mals gedacht, mit mir wird's ausgehen, wie es mit allen herbenden (kränkeln¬ den) Leuten ausgeht. Was kann der Stegthomerl dafür! Wir sind nicht zu ihm gefahren, daß wir uns von ihm anlügen lassen. Mich schmerzt es nur, daß wir ihn nicht einmal gefragt haben, was wir für die Aufrichtigkeit schuldig sind.“ Jetzt stieß der Steffel ein Lachen aus und ließ die Peitsche ein paarmal durch die Luft pfeifen, gleichwohl das Pferd nach Kräften seine Schuldigkeit tat. Als wir über die Höhen dahinfuhren, hatte sich das drohende Gewitter gänzlich verzogen, die untergehende Sonne schien mit einem weichen Gold¬ glanze auf die weite Gegend hin, über Wald und Auen, und ein erquickender Hauch floß in unsere Brust. Auf der blassen Wange meiner Mutter lag eine helle Träne. Als wir schweigsam und müde über unsere Auen fuhren, standen die Sterne am Himmel. Allerwärts im Grase rieselte das Lied der Heimchen. An der Zaunschranke, wo unsere Halde anhub, stand eine schwarze Gestalt, welche uns ansprach, ob wir's wären? Mein Vater war's, der uns entgegengekommen. Meine Mutter nannte ihn beim Namen; die Stimme war weich und zitternd. Der Vater geleitete uns ins Haus, ohne eine Frage zu tun. Erst als wir in der Stube waren und das Spanlicht brannte, fragte er mitBefangenheit, wie es uns denn ergangen wäre? „Nicht schlecht“, sagte der Steffel, „gar nicht schlecht; wir sind recht mun¬ tergewesen.“ „Und der Stegthomerl — was hat er denn gesagt?“ es „Der hat gesagt, daß auch die Waldbäuerin nicht ewig leben wird, daß mit ihr aber noch lang' Zeit hat — noch lang'. Nur schön achtgeben; zur auf¬ Sommerszeit hübsch in der guten Luft sein, nicht anstrengen und nicht 81 6 *
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