Da kam an diesem Feste die alte Riegelbergerin zu uns, die brachte etliche Semmeln mit, sie gab allerlei Hausmittel an und zählte kerngesunde Leute auf, die durch solche Hausmittel kerngesund geworden wären. Endlich fragte sie, ob wir nicht schon beim Stegthomerl gewesen wären? Nein, bei dem wären wir freilich noch nicht gewesen. Wesweg wir so nachlässig sein könnten und noch immer nicht beim Steg¬ thomerl gewesen wären? Zu dem müsse man in einer solchen Krankheit doch zu allererst schicken! Aber, es sei so viel weit dahin, wandte mein Vater ein. „Und wenn es drei Tagreisen wäre, um die Gesundheit ist's nicht zu weit.“ „Das ist freilich wohl wahr, um die Gesundheit wär's nicht zu weit“ 110 7 meinte mein Vater. „Und meinst, Riegelbergerin, daß er ihr helfen tät ? „Das Helfen, mein lieber Waldbauer, das steht bei Gott“ antwortete die Riegelbergerin in ihrer gewohnten Ueberlegenheit. „Wunder wirken kann auch der beste Arzt nicht. Aber kennen tut er's, der Stegthomerl, und sagen wird er's, ob noch eine Hilf' möglich ist oder nicht. Schon am nächsten Tage ging ein Bote hin über die Berge ins Tal, wo der Stegthomerl wohnte. Er ging früh aus und er kam spät heim und er brachte den Bescheid, der Stegthomerl hätte gesagt, er könne gar nichts sagen, so lange er die Kranke nicht selber sähe. Am nächsten Tage ging ein anderer Bote (denn der erste war auf dem weiten Weg hinkend geworden), um den Stegthomerl zu holen. Er kam spät in der Nacht allein zurück und brachte den Bericht; der Stegthomerl gehe zu keinem Kranken, er sei selber nicht mehr jung, auch wolle er sich nicht wieder einsperren lassen, weil die geprüften Doktoren einen höllischen Brotneid hätten und selber jeden unter die Erden bringen möchten. Wenn die kranke Wald¬ bäuerin zu ihm kommen wolle, so ließe sich vielleicht was machen. Aber nach laufe er den Kranken nicht. Das war doch männlich gesprochen und wir begriffen es alle miteinander, daß ein Mann, der seinen Wert kennt, sich nicht just wegwerfen wolle. Aber nun war eine große Bedrängnis. Das Wetter — allerdings — das war schön und warm, die Tage waren lang, die Mutter war auch bereit. Doch, konnten wir sie hinübertragen den viele Stunden langen Weg bis zum Stegthomerl? Es war keine Möglichkeit. Fahren? Wir hatten keinen Wagen und das letzte Paar Zugochsen hatten uns die Gläubiger weggetrieben, bei denen während der Mutter Krankheit neuerdings angeklopft worden war. Die Nachbarn brauchten ihre Ochsen zu dieser Zeit auf dem Brachfelde. Der Knullbauer hatte zwei Pferde, er wollte sie leihen, aber die kosteten für den Tag — der Vater schlug die Hände zusammen — fünf Gulden und den Hafer. Und als wir um die kranke Mutter herum so betrübt dasaßen, nach Rat suchten und keinen fanden, ging die Tür auf und trat der Knabe des Straßen¬ wirtes herein. „Was willst denn du, Bübel?“ fragte mein Vater. Das Bübel schlenkerte mit den Händen. „Ja“, sagte es, „der Samersteffel läßt sagen, wenn der Waldbauer sein Roß und Wagen haben will, so kann er's haben.“ „Wo ist denn der Samersteffel?“ „Bei uns sitzt er und hat sein Roß und Wagen bei uns eingestellt.“ Mein Vater sann ein wenig nach, was er sagen sollte; dann sagte er: „Der Steffel, der möcht' mir einen schönen Preis machen; sag: ich ließe mich bedanken. Der Knabe ging und nach einer Stunde kam der Samersteffel selber. Es war ein kleiner, wohlbeleibter Mann, der einst, so lange die Straße noch nicht gebaut war, über den Alpsteig mit seinem Saumroß verschiedenerlei Dinge befördert hatte. Seit die Straße war, hatte er sich ein Steirerwäglein ange¬ 77
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