Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1949

Nicht leicht war es für den Gesellen, die Meisterwürde zu erlangen und einen eigenen Hausstand zu begründen. Er mußte nochmals seine eheliche Ge¬ burt nachweisen, hatte zu bezeugen, daß er seine Lehrzeit vorschriftsmäßig zurückgelegt und vom Meister redlich Abschied genommen habe. Er mußte das Bürgerrecht besitzen und sich einem strengen Befähigungsnachweis, der Meister¬ prüfung, unterziehen. Während im Mittelalter die Anfertigung von Meister¬ stücken zunächst nur von Kunsthandwerkern wie Goldschmieden, Malern und auch Drechslern gefordert wurde, findet sich später diese Einrichtung fast bei allen gewerblichen Berufen und erschwerte manchmal ganz bedeutend die Er¬ langung des Meistertitels“ Hiefür nun einige interessante Beispiele. Bei den Schrotschmieden wurde nach der Handwerksordnung aus dem Jahre 1655 als Meisterstück die Anfertigung folgender Werkzeuge innerhalb eines Tages ver¬ langt: ein Sattlermesser, ein Bodenmesser für Binder, ein Rundmesser zum „Taufel=Aufschneiden, zwei Stoßeisen, zwei Winkeleisen, zwei Stemmeisen und ein langes Sagblatt für Orgelmacher? Ein angehender Nadlermeister wiederum hatte 300 gerade Schusternadeln, 300 Schneidernadeln und 300 Kürschnernadeln zu machen“. Innerhalb von zwei Tagen mußte ein Zimmerer¬ geselle nachstehende Aufgabe schriftlich lösen: „Nach dem jungen Maßstab ein aufgesetzte Stuben mit den geleimten Dürren, drauf ein wohlabgebundenes Ueberzimmer und Ueberschlag was zu solcher Stuben, Ueberzimmer und Dür¬ ren vonnöten und man bedürftig ist"“. Die Meisterprüfung der Bader bestand in der Herstellung von vier Pflastern und in der Beantwortung von 59 Fra¬ gen, die der bestellte Stadtmedikus an den Prüfling richtete. Eine Frage z. B. lautete: Wie erkennt man den Biß eines tollwütigen Hundes? Antwort: Man bringe Blut von der Bißwunde auf ein Stück Brot und werfe es irgend einem Hunde vor. Läßt dieser es liegen, dann stammt der Biß von einem tollwütigen Tier' Besondere Schwierigkeiten aber bereitete im 18. Jahrhundert die Er¬ reichung des Meisterrechtes bei den Schneidern. Die Prüfung dauerte vierzehn zur Tage. Im sogenannten „Stuckhaus“ hatte der angehende Meister bis Probe fertigzustellen: ein Priesterkleid mit zwei „Leviten“, ein Frauenkleid, einen Prälatenrock, ferner die sogenannte „Reiterei“, bestehend aus einem Herrenmantel mit zwei Kragen, einem samtenen Rock, einem Leib und einer Hose, außerdem für vier Lakeien die Mäntel samt Kragen, Röcke, Westen, Hosen, Strümpfe und Handschuhe. Fast unerschwinglich aber waren die mit diesem „Stuckmachen“ verbundenen Auslagen. Abgesehen von den Material¬ kosten hatte der angehende Meister für die Zusammengänge des Handwerks, für mehrere Mahlzeiten, bei welchen Suppe, Rindfleisch, Kraut, Braten und ür Salat aufgetragen wurden, für die Getränke, für den Ratskommissär, an achtzehn Meister, welche die Stücke aufzugeben hatten, für den Zechmeister, Meistergebühr und „Fahnentaler“ insgesamt bei hundert Gulden auszugeben“ Der Magistrat, der in allen Handwerkssachen die zuständige Behörde dar¬ stellte, verbot aber von Zeit zu Zeit derartige Auswüchse. 1682 setzte er beim Binderhandwerk die Kosten für das Meisterstück von 50 auf 20 Gulden herab“ und 1766 verlangte er vom Schneiderhandwerk, daß die anzufertigenden Meisterarbeiten um die Hälfte verringert werden und der „Stuckmeister“ nicht mehr als 50 Gulden zu bezahlen habe' Bekanntlich hatten es Meistersöhne und Gesellen, die gewillt waren, eines Meisters Tochter oder Witwe zu hei¬ raten, viel leichter; ihnen wurde das Meisterstück zur Hälfte oder ganz erlassen. Auch gegen den Willen des Handwerks konnte eine Aufnahme in dasselbe er¬ folgen, wenn sich der Rat für einen bestimmten Handwerker interessierte. Ich nenne als Beispiel Thomas Achleitner, der um 1580 in die Zunft der Zimmerer aufgenommen werden mußte, weil er durch eine lange Zeit schon Arbeiten an den städtischen Wasserbauten verrichtete“. 135

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