1370 bis 1372 erlassenen Bestimmungen über den Handel mit Venedig und verweise schließlich darauf, daß in diesem Zeitraum schon Vereinigungen wirt¬ schaftlicher und caritativer Natur genannt werden: 1309 die Fletzer= und 1360 die Elendzeche“. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß schon gegen Ende dieses Jahrhunderts der größten eisenverarbeitenden Organisation, den Mes¬ erern, Zunftfreiheiten verliehen wurden. Herzog Ernst von Oesterreich be¬ stätigt nämlich zwischen 1407 und 1411 in der im Schwertberger Archiv auf¬ gefundenen, derzeit im oberösterreichischen Landesarchiv verwahrten Steyrer Messerer=Urkunde alle Privilegien, die schon vorher die Herzoge Wilhelm und Albrecht den Meistern des Messerer=Handwerks erteilten. Leider ist dieses Pergament etwas beschädigt, da es einmal als Bucheinband dientet Bevor ich jedoch auf die Verleihung weiterer Handwerksordnungen ein¬ gehe, möchte ich vorher die soziale Stellung des Handwerkers kurz beleuchten und damit auch jene Umstände aufzeigen, die zur Bildung von Zechen führten. Die günstigen Lebensbedingungen in den mittelalterlichen Städten för¬ derten die Einwanderung vom Land in diese; und wenn innerhalb der Stadt¬ mauern der Platz schon zu sehr beschränkt war, siedelte man eben vor den Mauern in den Vorstädten“. Ursprünglich konnte hier jeder ungehindert sein Handwerk ausüben, doch nur so lange, bis die Zahl der Handwerker, um den Bedarf an Erzeugnissen zu decken, erreicht war. Die angesessenen Gewerbe¬ treibenden, die die Gefahr einer unliebsamen Konkurrenz abzuwehren suchten, waren daher eifrigst darauf bedacht, den Zuzug weiterer Handwerker in ihre Stadt zu verhindern. Dadurch ergab sich von selbst der Zusammenschluß gleich¬ artiger Handwerker zu Handwerksverbänden““ Ein weiterer Umstand, der eine solche Vereinigung begünstigte, war die große Kluft zwischen den ärmeren Handwerksklassen und den Erbbürgern oder Rittern, die in Steyr eine eigene Gemeinde bildeten. Schon im Verlauf des 13. Jahrhunderts sonderten sich die altangesessenen, durch den Eisenhandel reich gewordenen Geschlechter, das Patriziat, von der handwerktreibenden Be¬ völkerung, die nur mit ihren eigenen Erzeugnissen handeln durfte. Ursprüng¬ lich war die Trennung der beiden Bevölkerungsklassen so scharf abgegrenzt, daß gegenseitige Einheiraten ins Geschäft verboten waren“ Die Aemter im Rate blieben ausschließlich den begüterten, eigentlichen Bürgern vorbehalten. Diese Teilung der Stadtbewohner führte mit dem Erstarken der Zünfte im 15. Jahr¬ hundert zu heftigen Auseinandersetzungen“ Wie der bekannte Historiker Va¬ lentin Preuenhuber in seinen Steyrer Jahrbüchern erzählt, kam es auch in Steyr im November des Jahres 1506 zu einer Auflehnung der Handwerker wider die Ratsmitglieder. Unter Ulrich Prandtstetters Führung verlangten bei 180 gemeine Bürger und Handwerker u. a. vom Rat die Regelung der Bürgermeister= und Richter¬ wahl, die Bekanntgabe der Stadtfreiheiten und forderten die Aufrichtung einer Ordnung, damit sich der Handwerker neben dem Bürger nähren könne. Dieses Vorgehen hatte zur Folge, daß die „Aufrührer“ wie sie bezeichnet wurden, beim Kaiser verklagt und durch den Oberst=Hauptmann Wolfgang von Pol¬ heim die bevorstehende Bürgermeisterwahl eingestellt und eine Untersuchung eingeleitet wurde. Die Angeklagten wiesen bei ihrer Vernehmung darauf hin, daß sich die Ratsbürger mit dem Handel bereichern und den armen Hand¬ werksmann verderben ließen. Als Beispiel führten sie Lorenz Gutbrodt an, der vor acht Jahren noch ein armer Diener gewesen sei und jetzt bei 8000 Gulden im Messerhandel verdient hätte. Der Rat hingegen gab zur Antwort, daß jeder, der das Bürgerrecht besitze „und 24 Pfund Pfennig anliegend im Burgfrieden habe, er sei Handwerker oder nicht, allen und jeden Handel mit Weinschenken, venedigischer Kaufmannschaft und anderen, wie es ihm nur gelustet, treiben könne, wiewohl es besser wäre, der Handwerker bliebe bei seinem Handwerk und der andere Bürger bei seinem Gewerb.“ 130
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