Frisiersalon, wenn man diesen pompösen Ausdruck für seine Werkstatt ge¬ brauchen darf, sah manchen Besuch bedeutender Persönlichkeiten, ich nenne nur den Schriftsteller Ludwig Huna, den Maler Reich, den ehemaligen Burg¬ theaterdirektor Millenkovich=Morold, die gern und regelmäßig diesen einfachen Mann aus dem Volke besuchten. Stöger entstammte höchst ärmlichen Verhält¬ nissen, ein Kleinhäuslerssohn aus dem Wurmbachgraben bei Ternberg; bessere Schulbildung war ihm versagt und noch im späten Alter beklagte er es oft nicht genug gelernt zu haben. Aber mit verbissenem Fleiß und tiefster Hingabe suchte er nachzuholen, was er in der Jugend hatte versäumen müssen, und las nicht nur eifrig unsere großen Dichter, man konnte ihn auch bei der Lektüre des Ackermannes aus Böhmen, Meister Eckarts oder Jakob Böhmes oder irgend¬ eines Philosophen antreffen, Werken, die auch manchem „Gebildeten“ fremd bleiben. Seine schönsten Stunden feierte er in der Natur, genoß in vollen Zü¬ gen deren Schönheit, lauschte in inniger Freude dem Gesang der Vögel, formte ich durch sein Naturerleben sein Weltbild. Die Welt war ihm so schön, ein Paradies, aber die Menschen sind schwach, unverständig, machen sich und anderen das Leben schwer. Dieses Empfinden gewinnt bei ihm sprachliche Ge¬ stalt, es entstehen tief empfundene Naturbilder und die große Zahl seiner humoristischen Gedichte und Skizzen; verfehlt aber wäre es, in ihm den Spa߬ macher zu sehen; bitter ernst war es ihm auch in seinen lustigen Gedichten, denn nicht spotten und verlachen, bessern wollte er. Das Höchste zu erreichen, war ihm versagt, aber die Ehrlichkeit seines Empfindens und Strebens, die Unbestechlichkeit seines Gefühls erheben ihn über so manchen seiner „Brüder in Apoll.“ Zehn Jahre werden es auch im Oktober, daß Hermann Landsiedl aus dem Leben schied. Er war ein Einsamer, der durch schöpferische poetische Gestaltung Selbstbefreiung vom schweren, auf ihm lastenden Schicksal suchte, dem er chließlich erlag. (Nach handschriftlichen Aufzeichnungen von Albert Bachner.) Gefühl war ihm alles, sein Werk umfaßt daher neben seiner Lyrik nur wenige Versuche in Prosa, Skizzen, Märchen und Novellen. Strengsten Maßstab legte er an sein eigenes Schaffen und an das anderer. Ehrfurcht vor der Arbeit erfüllte ihn, der Bauer und sein Grund sind ihm heilig, er leidet mit den Ge¬ drückten und Hilflosen, sei es Mensch oder Tier. Liebevoll versenkt er sich in das Anschauen der Natur, die ihm lebendig von den geheimnisvollen Kräften alles Seins spricht und eine Parallele zum Leben des Menschen gibt. Wandern und Sehnsucht nach den Quellen des Lebens war der Grundton seines Liedes. Oft und oft klingt ein frühes Todesahnen auf, am deutlichsten in den Versen „Mit der Abendglocke“: Schließ mich mit Händen frommen, Fernliebste, in dich ein: Kann bald ein Abend kommen und muß der letzte sein. Immer und immer wieder kreisen seine Fragen um die letzten Dinge, immer wieder erhebt sich die Frage nach dem letzten Sinn alles Seins, erfüllt ihn Qual und Sehnsucht, Gott von Angesicht zu Angesicht zu schauen, fühlt er sich als Werkzeug in der Hand eines Höheren, dem er vertrauensvoll sein Schicksal in die Hände legt: Ich wanderte der Jahre Pfade: Ein Stücklein krumm, ein andres schnurgerade; Und mancher Strecke meiner Reise entsinn ich mich nicht mehr; Sie muß in einem andern Reiche liegen... Und oft erkenn ich kaum die eigne Spur, Seh fremd auf das begangene Geleise: Weil ich's nicht selber trat. Weil eines Stärkern Hände biegen Anfang und End um mich zu wohlgeschloss’nem Kreise. 116
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