Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1949

mal ein gewaltiger Krach, der das sofortige Ausscheiden der Häuserin zur be¬ Folge hatte. So gedachte er auch diese dürre Heugeige um Michaäli mit sonderer Freude vor die Türe zu setzen. „Juli! Sei so gut, die Schlüssel!“ Und er schielte verstohlen nach ihr, was für ein Gesicht sie nun schneiden würde. Aber die Spitzjuli zuckte mit keiner Wimper. Sie nestelte seelenruhig den Schlüsselbund von ihrer mageren Hüfte und sagte mit der gleichmütigsten Miene von der Welt: „Da sein sie! Der Stumpfl setzte sich mit dem Schlüsselbund in Bewegung, die Spitzjuli ging neben ihm her und fürchtete sich nicht. Vorerst ging das Bäuerlein der Speckkammer zu, er wollte gleich den Stier bei den Hörnern packen. Denn beim Speck fehlt es immer am gröbsten. Da gab es auf den Rauchstangen Lücken wie in Teufels Großmutter Zähnen. Die Wirtschafterinnen hatten immer gute Ausreden bereit, wie: „Er rinnt ab!“ oder „Ja, mein Gott, die Mäus! Der Stumpfl setzte sich mit dem Schlüsselbund in Bewegung, die Spitzjuli traute seinen Augen nicht. Da hingen lückenlos die schönsten Speckseiten neben¬ einander, und was für Trümmer. Der Stumpfl stieg die kleine, rauch¬ geschwärzte Leiter hinauf (die Spitzjuli hielt sie ihm) und betastete jedes Stück von allen Seiten. Er stieß in jedes sein Messer ein; es war kein Betrug, alles leibhaftiger, wirklicher Speck. Als er die Leiter herabstieg, verschlug es ihm die Rede, aber er fiel noch nicht um. „Beim Speck spart sie“ dachte er sich; „dafür wird sie mir 's Schmalz aufbraucht hab'n! Euch kennt man schon!“ Er ging kühl gemessen zum Schmalzkasten, drehte den Schlüssel um und riß die Tür auf. Da bot sich ihm die zweite Ueberraschung. Stramm in Reih und Glied, wie preußische Grenadiere standen die Schmalzhäfen da. „Ja, wenn sie nit laar sein“ beargwöhnte der Stumpfl. „Mich schmiert man nit an!" Er hob von jedem Topf den Deckel; sie waren alle mit goldgelbem Schmalz bis an den Rand gefüllt. In seinem Argwohn stach der Stumpfl mit einem Holz¬ stäbchen noch tief in jeden Hafen bis zum Grund. „Durch und durch Schmalz!“ Er sagte noch immer kein Wort zur Juli, als er die Tür wieder verschloß. Aber er ließ ihr ehrerbietig den Vortritt. Jetzt noch hinunter in den Erdäpfelkeller. Es traten dem Stumpfl die Augen heraus, wie er den mächtigen Kartoffelberg vor sich liegen sah. Er wühlte wie besessen in dem Haufen herum, ob nicht etwa die Halbscheid Steine miteinge¬ lagert wäre. Aber es waren alles gute, knollige Kartoffeln und auch nicht eine faule darunter. Es läßt sich nicht beschreiben, mit welchen Augen der Stumpfl nun seine Spitzjuli anschaute. Weibets, kannst du hexen? Wie kommt denn jetz dös?“ Da ereiferte sich die Spitzjuli heftig: „Wie dös kommt? Weil die Laster alle nur ihre Heiratsflausen im Kopf habn, und die Wirtschaft verschlampn lassn! So kommt's!“ Dann nestelte sie Schlüsselbund wieder an die magere Hüfte und ging, ohne sich weiter um den denBauer zu kümmern, der Wirtschaft nach. Des andern Tags nach dem Mittagessen vertauschte sie ihre blaue Küchen¬ schürze mit einer besseren weißen und sagte zum Bauer: „I geh nur auf a halbes Stündl ins Dorf um Garnspulen; will im Win¬ terspinnen, man erspart viel!“ Der Stumpfl sah ihr so lange durch den Fensterguck nach, bis der Waldweg ihre knochige Gestalt aufgeschluckt hatte. Er sah schon alle Kästen voll Leinwand und Tuchkugeln und schwur sich, diese Wirtschaftsmaschine nicht mehr von seinem Hofe zu lassen. Die Juli war ihm lieber als ein altes Hufeisen, das ja auch Glück bringen soll. Gegen Abend kehrte sie heim. Sie tat tiefgekränkt und warf, ohne ein Wort zu sagen, das Spulenbündel auf den Tisch. Als der bestürzte Stumpfl fragte, was es mit ihr habe, begann es sie zu stoßen; sie nahm die Schürze vor das Gesicht und lief laut aufheulend aus der Stube. Der Stumpfl hielt nach 105

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