herein, nahm das irdene Krügel von der Wandstelle und holte sich ein Tröpfl Wein. Dann kauerte er sich in seinen dämmerigen Lauerwinkel und durch¬ forschte das feuerbeschienene knochige Antlitz der Spitzjuli mit dem straff nach hinten gekämmten Haar. In diesem harten Gesicht zuckte keine Faser. Sie tat wie eine Maschine ihre Arbeit und sah dann und wann den Bauer von der Seite beinahe feindselig an. So daß der Stumpfl endlich bescheiden fragte: „Schenier i dich, Spitzjuli?“ Sie wehrte schroff ab: „Bauer, i tu mein Arbeit und laß mi auf weiter nix ein!“ Dann trocknete sie sich die Hände ab, hing die Küchenschürze an den Nagel und pflanzte sich vor dem Stumpfl auf. Sie schaute ihn mit ihren kalten, katzengrauen Augen so durchdringend stechend an, daß sich der Stumpfl unwill¬ kürlich die Joppe zuknöpfte. „Auf dem Stumpflhof wird überhaupt ein bißl viel gewechselt?“ „Ja, wird viel gewechselt!“ „Wie kommt dös? „Es ist, wie's ist!“ „Hat a Häuserin auf dem Stumpflhof am End nit ihr jungferliche Ruh?“ „Wohl, die hat sie“ versicherte der Stumpfl lebhaft. „Allemal! Durch die Bank!“ Die Spitzjuli kniff ihre dünnen Lippen zusammen, so fest sie konnte, und agte: „Das hab i nur wissen wollen! Dann sagte sie gute Nacht und ging schlafen. Einmal traf sie der Stumpfl am Nachmittag in der Stube am Fenster. Sie saß vor einem Haufen aufgebauschter Leinwand und nähte eifrig drauf los. Er trat auf sie zu und besah ein Weilchen ihre Arbeit. Sie nähte emsig weiter und hob kein Auge. „Tust dir da neue Hemeder nähn, Spitzjuli?“ „Ja, das tu i!“ „Und da siech i Tischtücher!“ „Kann schon sein!“ „Und da siech i gar Leintücher!“ „Gar Leintücher, ja!“ „Das Stumpflbäuerlein räusperte sich, als stecke ihm ein Kapuziner im Halse: „Sag mir einmal, Spitzjuli, du flickst dir ja a ganze Heiratsausstattung z'samm'? Hast im Sinn zu heirat'n?“ „Warum denn nit, wenn einer in Ehren kommt?“ Der Stumpfl dachte sich: „Sapperment, dös müßt a Freud sein, um so eine überspielte Orgel an¬ halten!“ Dann forschte er weiter: „Wenn aber keiner kommt?“ Die Spitzjuli gab ihm, ohne von ihrem Lin¬ nen aufzusehen, die bestimmte Versicherung: „Es kommt schon einer! „Und wie bringst dann deine Ausstattung weg? Hast ja dei Köfferle her¬ gebn!“ Die Spitzjuli drückte ihre dünnen Lippen fest aufeinander und sagte achselzuckend: „Brauch kein Köfferle!“ Der Stumpfl versuchte noch ein Weilchen mit ihr so hin und her zu köf¬ ferln, wieso und warum, aber die Spitzjuli gab keine Antwort mehr. Als der Stumpfl kopfschüttelnd aus der Stube schlich, machte sie ihm zwei Augen nach, so groß wie Butzenscheiben, und lächelte wahrhaft teuflisch in sich hinein: „So ein Bäuerl nit kriegen; zum Lachen!“ Der Stumpfl sinnulierte hin und her und kam nicht ins Reine. Das un¬ heimliche Weibsbild mußte ihm aus dem Haus, das stand fest. Zu Michaäli wollte er sie liefern. Um diese Zeit herum pflegte der Stumpfl immer die Küchenwirtschaft zu revidieren. Da verlangte er zum hellen Ent¬ setzen der jeweiligen Häuserin plötzlich die Schlüssel zum Schmalzkasten, zum Erdäpfelkeller und zur Speckkammer. Das Ergebnis der Revision war jedes¬ 104
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