Jahrbuch des Kreises Steyr 1942

Advokat sei, müsse er den Bedrängten auch schmerzlos aus der Pfanne hauen. So erschien der Biedere rasch in Steyr und legte seine Ehrensache vertrauensvoll in die Hände seines Verteidigers. Auch vergaß er nicht, darauf aufmerksam zu machen, daß seine mögliche Verurteilung mit Arrest zurzeit ganz unmöglich wäre weil ja zum Verlosen der Auerhahnen schon allerhöchste Zeit sei und kein anderer als er, der bewährte Sepp, die Sache deichseln könne. Es sei daher überhaupt nur auf eine Geldstrafe zu plaidieren. Da merkte der Herr Doktor zum erstenmal, daß der Hinterwäldler nicht ganz vernagelt sein könne und sah im Geiste schon ein drohendes Fiasko aufsteigen: denn daß der Fall für Sepp aussichtslos sei, war dem Juristen klar. Die Gerechtigkeit konnte sich nichts vergeben. So mußte Sepp zu 48 Stunden Arrest verdonnert werden. Aber der gewiegte Jurist überzeugte die berühmte Ein¬ äugige, daß Arrest für dieses verkannte und lammfromme Geschöpf eine Kata¬ strophe bedeute, und daß die Umwandlung in eine Geldstrafe als Ausfluß höchster Weisheit gewertet werden müßte. Diesen Argumenten konnte Frau Nemesis nicht widerstehen und diktierte dem verschmitzten Seppen 20 Kronen Geldstrafe. Der Herr Doktor war selbst stolz auf seinen Erfolg; und der Sepp machte seinem glänzenden Verteidiger in überschwänglicher Freude gleich das süße Ge¬ ständnis, daß ein Hinterwinkler dieses Strafgeld niemals im Leben werde be¬ murmeln können. Woraus der Herr Doktor die einzige und letzte Folgerung zu ziehen hatte — nämlich die Strafe aus seiner eigenen Tasche zu berappen, wollte er sich dieses kostbare Glied der menschlichen Gesellschaft für die künftigen Jagd¬ pläne erhalten. So kann sich ein pfündiger Fall in eine Ex=offo=Verteidigung auswachsen. Welch ein glänzender Verteidiger! Er haut seinen Klienten heraus und übernimmt, weil die Gerechtigkeit um Rache schreit, die Strafe des Uebeltäters. Der dramatische Knoten schürzte sich aber auch noch in anderer Weise. Zu jener Zeit hatten die weitaus besseren Ehehälften aller Jagdherren den frevelhaften Ehrgeiz, daß der Stoß des ersten erlegten Hahnes als Hutzier den Damen dargebracht werden müsse. Um nun die Frau Gemahlin für die ausgebrochene Jagdleidenschaft günstiger zu stimmen, versprach der Doktor hoch und heilig, daß auch er den ersten Hahnen¬ stoß als Prunkstück auf dem Altar der Schönheit opfern werde. Aber wer von Berufs wegen sich mit „Freisprechen“ beschäftigt, läuft leicht Gefahr, auch gro߬ sprechender und vielversprechender Art zu verfallen. Kurz nach der schön verlaufenen Gerichtsverhandlung tauchte Hinterwinkler wieder beim Doktor auf und meldete, daß die Hahnen schon ungeduldig sind und der Reihe nach ihre Stöße abliefern möchten. Also auf zur Hahnenjagd! Es ging wie geschmiert. — Der erste Hahn meldete — aber der Datterich des Schützen meldete sich auch; schon am nächsten Morgen der Hahn strich doch noch ab und die und wenn es auch kein Fehlschuß war — Kante einer Schneewächte war seinem „Fortkommen“ sehr von Vorteil. Eine Strei¬ fung kreuz und quer förderte nur die Vermutung zutage, daß der Hahn von einer lächerlichen Abneigung gegen das Totschießen besessen sein mußte. Der Herr Doktor und sein Kumpan zogen mit einem Schneider und Grimm und Groll zu Tale. Hinterwinkler war jedenfalls weniger geknickt als sein Herr, der mit dem verwünschten Hahnenstoß dasselbe Unglück hatte wie der fabelhafte Jäger mit der Bärenhaut. Der Einzug des Jagdherrn in das heimatliche Gehäuse verlief daher ohne Festlärm und bar jeder Ovationen. Der knappe Bericht über die ersten Jagdabenteuer war nicht sehr farbenprächtig und die Beute war danach, daß man von diesem traurigen Epos auch bald genug hatte. Sepp Hinterwinkler schlief auf seinen Ruhmeskränzen auch nicht sonderlich gut und lud seinen Dackel ein, mit ihm den Hahnbaum und seine umliegenden 314

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