Jahrbuch des Kreises Steyr 1942

ausgebuchtet. Die Schleiche scheint sich (trotz ihres unpassenden Namens) auch mehr auf ihre Augen als auf die Zunge zu verlassen. Vom Schlangenauge wurde schon der sogenannte „gläserne Blick“ besprochen. Der Seh¬ sinnist schwach entwickelt, noch schwächer der Geruchssinn, der Geschmackssinn ist wahrscheinlich ganzverkümmert. DerGehörsinn ist vorhanden, trotzdem man keinerlei äußere Ohröffnung wahrnehmen kann, während bei den nahvewandten Echsen ein deutliches, dunkles Trommelfell hinter den Augen sichtbar ist, und die Schleichen wenigstens bisweilen in der Ohrgegend eine nadelstichfeine Oeffnung aufweisen. Doch zurück zu unsrer Ringelnatter, deren außerordentlich wechselndes Farbenkleid noch Die der Besprechung wartet und zur Aufstellung vieler Spielarten Anlaß gegeben hat. Grundfarbe der Oberseite ist jedenfalls am häufigsten grau, oft mehr mit braun oder grün gemischt, die Bauchringe weißlich mit schwarzen großen Würfelflecken. Sehr bezeichnend für die Art sind die beiden hellen etwa halbmondförmigen Flecken in der Ohrgegend, die bald weiß, bald goldgelb, bei südlichen Abarten sogar rot sein können und häufig am Hinter¬ kopf zusammenfließen, so daß ein Halb= oder Dreiviertelreif um den Kopf zu liegen scheint. Dies gab den Anlaß zur Sage vom „Schlangenkönig“ der zauberkräftig sein soll und dessen Verletzung er mit Tod und Krankheit rächt. Dieser Aberglaube ist im Osten Europas, wo er daheim ist, sehr zu gunsten des Reptils ausgegangen, weil auf diese Art dort wenigstens die Ringelnatter geschont worden ist. An Farbvarietäten sind schon rotbraune, grüne und fast blaue hie und da auch voll¬ kommen chwarze Ringelnattern gefunden worden. Von diesen abgesehen, erkennt man das Tier an den rückwärts dunkel eingefaßten Halbmondflecken, stets aberan den, in der Mitte werden und dem Tier deutlich gekielten Schuppen, die im gereizten Zustand etwas gesträubt ein rauhes Aussehen geben; der feindliche Eindruck wird noch durch heftiges Zischen verstärkt. Die starken Schuppenkiele kommen sonst nur bei der Kreuzotter vor, von der sich aber die große kreisrunde Auge Ringelnatter durch die großen Kopfschilder, den schlanken Leib und das unterscheidet. Von allen unsren Schlangen hält die Rinelnatter die kürzeste Winterruhe, erscheint manchmal schon im März an wärmeren, stehenden Gewässern und schreitet im Mai zur Paarung. Zwischen Juni und September werden 15 bis 36 daumengliedlange Eier gelegt, die genau so lange zur Reife bedürfen wie ein Hühnerei, also 3 Wochen. Die „Bebrütung erfolgt durch die Fäulniswärme des Legeortes, der sehr häufig ein Dung= oder großer Laubhaufen ist. Ein Bebrüten durch das Muttertier ist bis jetzt nur bei Riesenschlungen beobachtet worden. Merkwürdig ist die Ablage der Eier in einer zähen gallartigen Hülle, welche die ledrigen, weißlichen Eier perlschnurartig verbindet, die im Volksmund oft als Hahneneier bezeichnet werden. Die Größe der Ringelnatter ist im berühmten „Tierleben“ A Brehms auffallend nieder angegeben nämlich mit durchschnittlich 1 Meter, welche Länge sie an günstigen Wohnorten weit überschreitet. Unsre weitaus größte Schlange mit zwei Meter Maximallänge ist die Aeskulap¬ schlange, die daher auch den Artnamen longissima erhalten hat, während ihr Gattungs¬ name sie als Coluber d. h. Steig= oder Kletternatter anspricht. Keine einheimische Schlange ist so leicht zu erkennen, wie diese, denn nur bei ihr ist die ganze Unterseite hellgelb. Der Rücken zeigt ein helles Braun, das mit etwas Grau oder Grünlich vermischt sein kann. Bei alten Tieren treten in der Leibesmitte oft auch helle Fleckchen auf den Schuppen auf, die glatt, oder doch nur schwach gekielt sind. Bezeichnend für die Steignatter sind auch die Bauchkanten, welche offenbar beim Steigen und Einklemmen in Rindenspalten von Vortei sind. Das ovale Köpfchen trägt keine deutliche Zeichnung, große Schilder, ganz helle Lippen¬ ränder und große kreisrunde Augen. Ihr Lieblingsaufenthalt sind helle, geschützte Laub¬ wälder und altes sonniges Gemäuer, wo sie gern herumklettert. Sie ist die beste Steigerin unter unsren Schlangen, geht aber nicht gerne ins Wasser, war in scheinbarem Widerspruch zu ihrer „Vorliebe für Badeorte“ steht. Jedenfalls ist das, für Badeorte so wesentliche milde Klima daran beteiligt, denn die Aeskulapnatter ist die Frostempfindlichste unter unsren Schlan¬ Erklärung zu den nebenstehenden Abbildungen. Kopf-Profile von: 1. Schleiche (Blindschleiche); 2. Schlange (Ningelnatter); 3. Natter (Glattnatter); 4. Otter (Kreuzotter). 2, 3 und 4 nach vergrößerten Lichtbildern aus der vor¬ züglichen Schrift „Die Schlangen Mitteleuropas“ von Dr. H. Hediger (B. Schwabe, Basel). Verhältnis Rumpf und Schwanz: A bei der Blindschleiche; B bei einer Natter; C bei einer Kreuzotter. —Bißspuren: D einer Natter; E einer Kreuzotter. 306

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