Jahrbuch des Kreises Steyr 1942

Volksgenossen kannte keine Grenze. Sein Zuspruch war kurz, aber durch die klare Sicherheit und Offenheit seines Wesens von durchschlagender Wirkung. Mit welcher Freude und Anhänglichkeit wurde Dr. Klunzinger auf seinen vielen späteren ärzt¬ lichen und künstlerischen Gängen in Steyrs Umgebung von alten Patienten be¬ grüßt. Nie soll vergessen werden, daß unser Doktor während des Weltkrieges 1914 bis 1918 für das ganze Stadtgebiet allein als Stadt= und Bahnarzt tätig war und dabei noch das umfangreiche Reservelazarett leitete, so daß er seine Besuche oft genug in die spätesten Abend= und Nachtstunden verlegen mußte. Später be¬ tätigte er sich durch mehrere Jahrzehnte als Kassenarzt und Chefarzt der Allge¬ meinen Ortskankenkasse. Nie war ihm ein Weg zu lang, eine Stunde zu spät, ein Notleidender zu gering. Dreimal in seiner Praxis brach er sich eine Rippe, was ihn keinen Tag hinderte, seine Krankenbesuche mit eiserner Selbstverleugnung und immer noch mit einem Schuß trockenen Humors durchzuführen. Von dem kerndeutschen, bedingungslos aufrechtdenkenden Menschentum Doktor Klunzingers ging eine eigene Wirkung aus, der man bei der absoluten Lauterkeit seines ganzen Wesens gern entgegenkam. Sein ungewöhnlicher wissenschaftlicher und künstlerischer Scharfblick ermöglichte ihm ein Eindringen in die Geschichte der Stadt Steyr, wie es nur wenigen vergönnt ist, und von welchem der allzu früh verstorbene Wirtschaftshistoriker Professor Dr. Kurt Kaser (ein Enkel des alten Steyrer Stadtarztes Dr. Krakowitzer) mit aufrichtiger Bewunderung sprach. Ein umfangreiches Manuskript über die Vergangenheit Steyrs, eine Fundgrube für den Heimatforscher, harrt noch der Veröffentlichung. Eine Reihe großzügiger Kohle¬ zeichnungen von Klunzingers Hand stellen die bemerkenswerten alten Stadtgebäude in ihrer ursprünglichen Gestalt dar, und eine nach vielen Hunderten zählende Diapositivserie aller künstlerisch und geschichtlich merkwürdigen Stellen der Stadt hat Dr. Klunzinger in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen, ebenso eine reiche künst¬ lerisch wertvolle Diapositivreihe der Naturdenkmale der Stadt und des Kreises, wie sie nur wenige Bezirke haben dürften. Die Naturschutzstelle und der Deutsche Heimatbund (Ortsstelle Steyr) verlieren ihn Dr. Klunzinger ihren wertvollsten Berater und rufen ihrem hochverehrten Förderer auch an dieser Stelle ihren innig¬ sten Dank zu. Dr. Klunzinger gehört zu den Gründern des Denkmal= und Heimatschutzvereines Steyr. Er hat an der geschichtlichen und künstlerischen Augestaltung des „Führers der Stadt Steyr“ in Wort und Bild wesentlichen Anteil genommen, ebenso beim 1 Städtebuch und manchen anderen Veröffentlichungen über Steyrs Vergangenheit. Dabei war Dr. Klunzinger alles eher als ein gegenwartsfremder Romantiker. Sein künstlerisch sicheres Empfinden, sein scharfer Geist und sein großes Wissen ließen ihn die Vorzüge und Schönheiten vergangener Perioden ebenso klar er¬ kennen wie ihre Mängel, und mit gleicher Einfühlung und Unbestechlichkeit stand er auch der jeweiligen Gegenwart gegenüber. In aller Stille hat sich Dr. Klunzinger als Maler betätigt. Von der Oel¬ technik ging er bald zu einer Art Pastellmalerei über, in der er ganz eigene reiz¬ volle Wege beschritt. Er bereitete sich seine Pastellstifte in unzähligen Farbab¬ stufungen selbst und zog in den wenigen Mußestunden, die ihm sein anstrengender Beruf ließ, gegen Abend hinaus, um die malerisch ungemein schwer erfaßbare Schön¬ heit unseres herrlichen Landes festzuhalten; nie um des Erwerbes willen, sondern nur um für sich und die anderen einem erwählten „Augenblick Dauer zu verleihen“ Der stille Zauber seiner Bilder, die Eindringlichkeit in der Darstellung der Natur¬ stimmung sind in Klunzingers Werken überraschend. Eigentliche Muße kannte er nicht, aber auch keine Hast. Zielsicher und gerad¬ linig war sein arbeitsreicher Tag, immer nur der lebensbegehrenden Tat zu¬ gewandt, unbeugsam in den schweren und üblen Jahren im und nach dem Welt¬ 301

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2