Jahrbuch des Kreises Steyr 1941

Wirkung auf. So hört man noch außerdem: „Hund, Rabenvieh elendiges" und andere einheimische und exotische Tierarten, womit der Ergrimmte seinen eben ­ falls unentwegt drehenden Nachbarapparat oder Apparatnachbar bedenkt. Für diese Sendung verlangt Haarstriegler kein Honorar und das ist schön von ihm, wenn er auch nicht mehr jung ist. Wenn die Sprecher sämtlicher erreichbaren Stationen wüßten, was mein Freund ihren künstlerischen und sonstigen Vor ­ tragsleistungen als Prolog vorausschickt, wie er sie mit seiner orientalisch-oberösterreichischen Blumensprache beim richtigen Namen willkommen heißt — ich glaube seine Urwüchsigkeit hätte ihn schon alle Stufen der Besserungsanstalten schwersten Kalibers läuternd durchwandeln lassen. — Dann kommen wieder einnial Kundschaften. Und nun wogen Haarwellen, Aetherwellen und Parfüm ­ wellen durcheinander und man kann sich je nach der Leistung der eben auf ­ getretenen Künstler ondulieren oder auch kondolieren lassen. Dann wird wieder einmal gedreht. Aber kein Film, sondern Geräuschserien. So erhaschen besonders glückliche Kunden innerhalb zehn Minuten Programmatome von wenigstens zwei Dutzend Stationen und werden aufmerksam gemacht, daß noch ganz andere Neu ­ heiten und Fragmente zu genießen wären, wenn man wollte. Ein anderesmal geht man ungefunkt von dannen, weil mehr Störer als Hörer die Oberhand ge ­ wannen oder die Störer überhaupt wieder einmal eine außerordentliche General ­ versammlung einberufen haben. Am liebsten hört Haarstriegler Vortrüge. Sein Wissensdurst schwebt überallen „geistigen" Tiefen, nur nicht über den Wassern. Allein, beim Börsenbericht ist er mit einem eleganten Sprung beim Apparat und drückt, bildlich ge ­ sprochen, dem nichtsahnenden Mammonspriester die Gurgel zu. Der Rest ist Schweigen. Aber diesmal ist Schweigen nicht Gold, sondern der Ausdruck unsäg ­ licher Verachtung der kapitalistischen Unordnung. Und da Eusebius früher immer nur solche Aktien erwarb, die in kurzer Zeit mit epileptischen Krankheiten be ­ haftet wurden, und von „Fall zu Fall" einschrumpften wie tausendjährige Zigeunerfersen, so mag man seine verminderte Sympathie für die Börse be ­ greifen. Auch die Gesangsdarbietungen weiblicher „Stare" liebt Eusebius nicht über ­ schwänglich. Er hat diesen Sirenenklängen im ganzen langen Leben heftigen Widerstand erfolgreich entgegengesetzt — niemand weiß warum — und läßt sich als fanatischer Ehekriegsgegner auch künftig in keine Laube mehr locken. Wie er früher das Auskneifen vor langfristigen oder gar dauerhaften Kon ­ trakten mit den verschiedensten Loreleien beründete, bleibt dunkel, aber seine Antipathie vor dem neuzeitlichen weiblichen Angefunktwerden erklärt er mit musikkritischen Bemerkunen, die unter keinen Umständen im Traunviertler Dialekt publiziert werden könnten. Aber alle übrigen Botschaften empfängt Eusebius Haarstriegler mit großem Wohlgefallen, und um niemand zu beleidigen, dreht er täglich solang, bis alle europäischen Sender mehrmals einen Pfiff oder hustenähnlichen Kunstanfall an ­ bringen können. Heiteres „Onkel Alexander, die Trompete, die du mir geschenkt hast, war das Nützlichste von allem, was ich zum Geburtstag bekommen Habel" „Nanu! Wieso denn?" „Tja, Pappi gibt mir für jeden Tag, den ich nicht drauf blase, zehn Pfennig!" Der Künstler: „Sehen Sie, die Kunst ist etwas ganz Wunderbares! Mit einem ein ­ zigen Pimselstrich bin ich in der Loge, ein lachendes Kind zu einem weinenden, unglück ­ lichen Wesen zu machen " Di« Wirtin: „Das kann ich mit einem Pesenstiel auch erreichen." 343

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