Ein neuer Radiokonsument Von Albert Bachner. Mein Freund, Eusebius Haarstriegler, ist dreiröhriger Radiokastenbesitzer. Leider stak vor fünfzig Jahren der Rundfunk noch in den Embryoschuhen und konnte daher keine Aktiengesellschaft gründen. Aber Eusebius sähe seinen Beruf nicht so schändlich verfehlt, wenn das Radio seine Grasaffenjahre umlärmt hätte. Denn er wäre todsicher einer der tüchtigsten und prominentesten Radiohörer seiner Zeit geworden. Statt dessen griff er in Ermangelung einer ihm zusagenden Sportgattung nach dem Beruf eines Skalparbeiters und wurde gehässigerweise Friseur. War die Wahl dieses Lebenslaufes ohnehin schon ein Wahlschwindel, so wäre er als Haar handwerker (um nicht zu sagen als Künstler) mit dem Haarschnitt beinahe nie über den Durchschnitt gekommen, wenn Eusebius außer seiner Barbierstube nicht auch noch ein orthopädisches Institut für verkrüppelte Versfüße eingerichtet hätte. Um nun über die Oede seines Berufes und die Glatzen seiner P. T. Künder, etwas Hinwegzukommen, bestellte Eusebius eines verrückten Tages den Radiobauer. Der kam, sah und sicherte sich sogleich Haarstrieglers Bestellung. — Den nächsten Tag sah es im Schaumsalon aus wie in der Werkstätte einer Kreuzspinne: nichts als Fäden und Schlingen! Und es ist nicht sicher, ob Eusebius in der Ver wirrung anstatt eines Haarzöpfts einen Drahtknäuel verkauft hat. Vom andern Tage an begann Haarstriegler mit einem neuen Lebens abschnitt er war radiohörig geworden! Freilich, die Lautwirkung war die erste Woche ausschließlich pianissimo. Stundenlang glaubte man überhaupt, daß nur der alte Feldherr Moltke über Generalstabspläne spräche — denn man hörte keine Silbe. Daraufhin wurde wieder der Radiobauer konsultiert, der viel mehr als das Radio redete, ja sich direkt „ausredete", womit wenigstens für den ohnehin bescheidenen Eusebius einiger Ersatz geschaffen war. Eines beklagt Haarstriegler jetzt bitter: Vor Jahren hat er anläßlich einer Wohnungssäuberung — die in regelmäßigen Zeitabschnitten von zehn bis fünf zehn Jahren unter großen geheimnisvollen Zeremonien vor sich gehen — seine sämtlichen Stiefelröhren antreten lassen, worauf er sie dann brutal in die Enns schmiß. Run bereut er. Denn keiner könnte sich einer Apparatur von solcher Röhrenzahl rühmen wie Eusebius, wenn er eben diese Unglllcksstiefelröhren nicht so grausam ertränkt hätte. Selbstverständlich erschien der Radiobauer noch öfter, und zwar so oft, bis die Dachantenne alle Rufer des Universums bei den Haaren herbeizuzerren versrach. Nun hörte man zeitweilig schon ein großes Durcheinander. Und wer Musik von anderem Lärm selbständig unterscheiden kann, der durfte bei der Beurteilung des Programms immerhin schon ganz berechtigt mitschimpfen. Aber zu diesen Nörglern gehörte Eusebius die ersten Tage noch nicht. Er war die rührendste Dankbarkeit. Und wenn im Studio eines Balkansenders ein Stuhl umfiel, so war der neue Rundfunkkonsument ganz stolz, daß er an dieser Kunstleistung Anteil nehmen durfte und mit dem Rhythmus der Zeit so innig ver bunden ist. Dann aber bekam Eusebius allmählich den Drehwurm. Wer jemals einen richtigen damischen Radiobesitzer kennen lernte, der weiß, wie oft diese Besessenen ihren Apparat mit einem Propeller verwechseln. Ein Werkeldreher ist dagegen ein Stundenzeiger! Leider hieb auch mein Freund bald in diese Kerbe. Und so hörte man die folgenden Wochen immer das gleiche Programm: Hui! uuuili, knax, kroax, krrr, iii uuuhhh quorax! Aber das ist noch lange nicht alles, denn Eusebius unterfängt sich und zwingt diesem Programm noch seine eigene Mit 342
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