Jahrbuch des Kreises Steyr 1941

Mit der Zeit wußte Tux ganz genau, was ein englischer Kreuzer war und wenn man ihm einen Zucker hinlegte und sagte: „'s ist vom Engländer," dann ließ er ihn liegen, als wäre es das Widerlichste, was es auf der Welt für ihn gab. Lis es einmal zu einer Seeschlacht kam, in der Otrantastraße. Tur kannte dieses Wort genau, schon weil es zwei „O" hatte und leicht zu merken war. Tu; mar natürlich unfolgsam gewesen und hatte seine Pfoten aus dem Ventilations ­ rohr heroorgesireckt, obwohl er ganz genau mußte, daß er dies nicht tun durfte. Und so hatte ihm ein englisches Sprengstück die eine Pfote weggerissen. Gottlob nur das unterste Stück, aber es tat verdammt wehe und wenn der Matrose Bimstl ihm nicht die Pfote abgebunden hätte, wäre Tux verblutet. Sein Herr konnte sich nicht um ihn kümmern, der arbeitete unten in der Maschine und pflegte seine Turbinen. Dann kam Tux in das Schiffshospital, das auf dem Zerstörer nur ein kleiner Raum war. Der Unterarzt verband ihm persönlich nochmals seine Wunde in Ermangelung anderer Verwundeter. Denn die Engländer schossen recht erbärmlich, obwohl sie damals mit dreifacher Uebermacht gegen die österreichischen Schiffe standen. Tux war richtig der einzige Verletzte und das hat seinem Ruhme nur genützt. Freilich, das untere Ende der Pfote konnte ihm niemand ersetzen, das hatten nun schon einmal die Engländer auf dem Gewissen. Wenn aber jemand zu ihm das Wort „Otranto" sagte, zog Tux den Schweif ein und verkroch sich, wo es nur etwas zum Verkriechen gab. Dann kam der große Tag für Tux. Der Zerstörer lag in einer Bucht vor Anker. Es war kurz nach Mitternacht, als Tux plötzlich Laut gab. Wie wütend verbellte er eine Stelle im Wasser. Als man mit dem Scheinwerfer die Um gebung ableuchtete, sah man einen mit schwarzem Gummi bekleideten Schwimmer, der in der Hand einen Sprengkörper trug und unbemerkt an den Zerstörer herankommen wollte. Wahrscheinlich war er von einem unweit liegenden feindlichen Motorboot herübergeschwommen. Diesmal erhielt Tux einen ganzen Kranz von Würsten und durfte von nun ob sogar in der geheiligten Koje des Kommandanten schlafen. Denn sein Herr schlief in einer Hängematte, und seitdem Tux einmal im Schlafe aus dieser herausgefallen war, konnte ihn nichts mehr dazu bewegen, eine Hängematte zu besteigen. Dann war der Krieg zu Ende, hinkend, aber sonst wohlgelaunt, zog Tux mit seinem Herrn zurück in die Vergheimat. Als er zum ersten Mal die steilen Grate und leuchtenden Eisfelder sah, setzte er sich hin und begann aus Freude zu heulen. Und sein Herr, der Maschinen-Maat Kerschbaumer, setzte sich auch hin und weinte ebenfalls vor Freude. So sehr hatten die Beiden ihre Berge geliebt. Dann begann wieder der Dienst bei Stern und Hafferl, begannen die Patrouillengänge zu den lawinenverschütteten Schleusen des oberen Gosausees. Nur trottete jetzt Tux schwerfällig hinter feinem Herrn nach und die Wildenten interessierten ihn nicht mehr so wie früher. Denn mit dem Schwimmen ging es nicht mehr. Fünf Jahre nach Kriegsende schloß Tux für immer seine treuen Augen. Da nahm Alois Kerschbaumer, jetzt Obermaschinist des Elektrizitätswerkes, eins Schaufel und ging in den Wald. Dort grub er ein tiefes Loch, wohl mehr als einen Meter tief. Dann zog er seine Marineuniform an, nahm seine Jagdflinte und zog den Schubkarren aus dem Schuppen. Zuerst legte er Tannenreisig in den Schubkarren und dann den toten Tux darauf. Mit dem Kopf noch oben. So zog er in den Wald. Vorsichtig nahm er seinen alten Kriegskameraden aus dem Karren, ließ ihn in die Grube gleiten und schaufelte die Erde wieder zu. 338

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