Jahrbuch des Kreises Steyr 1941

Die beiden einheimischen Pflanzen mit geschützten» Wu r z e l st o ck sind Nießwurz nnd Maiglöckchen. Der Nießwurz — auch Schnee rose, Christrose oder Schnee - katerl genannt — ist arg nachgestellt worden und nur ihrer großen Lebenszähigkeit und Ergänzungskraft ist es zu verdanken, daß sie noch nicht ausgerottet worden ist. Und gerade die Schneerose hat in unseren Alpenländern ihr Hauptverbreitungsgebiet, von dem die Randgebiete zehren können sollen. Oberirdisch erscheint die Blüte als allererster, be ­ gehrter Frllhlingsverkünder, unterirdisch wächst der derbe, schwarze Wurzelstock zu einem oft 20 — 30jährigen Gebilde aus, aus dem in manchen Gegenden noch Schnupftabak ­ pulver gewonnen wird („Nießwurz"). Die zuerst rein weißen Hahnenfußblüten zeigen bald außen einen rosigen Anhauch; in der Fruchtzeit vergrünen sie und im Mai sieht man nur mehr die derben, grünen Balgkapseln mit dem giftigen schwarzen Samen. Sehr sonder ­ bar ist die Rolle der Blumenblätter, die in fünf bis acht grünliche Tüten, „Stanitzel", ver ­ wandelt sind, um als Behälter süßen Blütensaftes die ersten Insekten des Jahres schon zur Bestäubung einzuladen. Die schneeweißen Blätter sind eigentlich „zu Reklamezwecken gebleichte Kelchblätter". Das ledrige glatte Laub ist handartig geteilt und geeignet, sich bald über die letzte Schneedecke zu erheben. Die gleichfalls geschützte grüne Nieß ­ wurz fehlt unserem Kreis fast ganz. Auch das Maiglöckchen mit seinem zarten, nicht ganz harmlosen Duft ist bekannt genug. Sein kriechender Wurzelstock kann oft uralt werden. Darum ist ihm auch im Dickicht der Niederungen eifrig nachgestellt worden, um eine ausdauernde Schattenblllte zu erlangen. Von denRosettenträger n sind vor allem die Schlüsselblumen zu nennen, diePrimeln, deren leuchtende Blütendolden vom Volksmund zum Schlüssel für den Frühlingshimmel ge ­ stempelt morden sind. Die edelsten, nämlich Petergstamm oder Aurikel und Gamsveigerl, sind, wie schon erwähnt, vollkommen geschützt — somit bleiben als teilweise geschützt für unseren Kreis die noch sehr häufige hohe oder gemeine Schlüsselblume mit schwefelgelber Bllltenfarbe ohne besonderen Duft; ähnliche größere Blüten, aber ohne den hohen Blütenschaft zeigt die stengellose Schlüsselblume, die von der Steiermark, wo sie die häufigste ist, bis in unsre südlichen Kalkberge herausreicht. Seltener im Flach ­ land, mehr aber im Mittelgebirge, tritt die duftende, goldgelbe „gebräuchliche" oder Apothekerprimel auf und wird nicht selten mit dem „Petergstamm" verwechselt, von dem sie sich aber auf den ersten Blick durch die gerunzelten Blätter, die kleinere Blüte, die orangefarbigen Saftmale und den Standort unterscheidet. Alle übrigen Pflanzen, bei denen die Blattrosetten geschützt werden mußten, sind in letzter Zeit so sehr von den sogenannten Steingärtnern ausgebeutet worden, daß gesetzlicher Schutz Nötig wurde. Vor allem betrifft es die Steinbrech- oder Saxifraga ­ arten. Die meisten sind kleine Felsbewohner, deren Wurzeln tief in die Klüfte dringen. Die Bewohner feuchter Gebirgsstellen haben nur schwaches Wurzelwerk, erheben sich aber oft über Fußhöhe wie unser seltener Schattensteinbrech und der rundblättrige Steinbrech. In den Bergen unsres Kreises kommen die folgenden sechs weißblllhenden Steinbrecharten vor: der st e r n b l ll t i g e, der immergrüne, der r u n d b l ä t t ri g e, der mannsschildartige, der Schatten- und der Bu r s e r st e i n b r e ch. Orange ­ gelbe Blütensternchen zeitigt der hochalpine kleine, fetthennenartige und gelbe, lockere Blütenirauben der Ki e s st e i n b r e ch der Gebirgswasserufer. Die meist hartlaubigen, fast kugeligen Blattrosetten sprossen oft in größerer Zahl um die Mutterpflanze, werden von Ausläufern vorgeschoben, bis sie selbst Halt gefunden und Wurzel geschlagen haben. Aehnlich im Bau und verwandtschaftlich nahestehend sind die Hauswurz- oder Sempervivumarten. Der deutsche Name nimmt Bezug auf den uralten Brauch, auf Mauern, auf dem Dachfirst, ja selbst auf gedeckten Schornsteinen diese zähe, fleischige Felspflanze mit ihren schönen hellroten Blüten anzupflanzen in der — allerdings sehr irrigen — Meinung, sie hielte den Blitz vom Gebäude ab. Bei uns kommt nur die ge ­ wöhnliche DachHauswurz vor, in den Zentralalpen aber herrliche, große, leuchtend gelb oder purpurrot blühende Arten. Auch von den geschützten Mannsschildarten kommt bei uns nur der kleine schlichte milchweiße Mannsschild, ein reinweißblühendes zartes Primelgewächs vor, mit einer Blattrosette wie aus kurzen kleinen Gräsern. Viel auffallender ist dagegen jene reizende, rotblühende Polsterpflanze der Hochalpen, das stengellose Leimkraut, welches aussieht, als ob hellrote Sternchen auf großen, dicken Moospolstern wüchsen. Wer da versuchen würde, die holzige, armlange Wurzel aus dem Gestein zu lösen, käme zu keinem guten Ende, weder für seinen Steingarten noch für sich selbst. 320

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