Jahrbuch des Kreises Steyr 1941

Die baltischen Staaken unter russischem Einfluß. Die drei baltischen Staaten, Litauen, E st land und Lettland, haben nach einer grundsätzlichen Vorwärtsentwicklung die Angleichung an das Sowjetsystem vollzogen. Alle drei Staaten sind als Sowjetrepubliken in die Union eingerreten. Damit ist eine Entwicklung praktisch beendet, die nicht durch Gefühle und Erinnerungen, sondern nur aus nüchterner Jnteressenpolitik heraus zu verstehen ist. Inwieweit hierbei die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands gewahrt werden können, wird die Zukunft zeigen. Sie sind im wesentlichen eine Angelegenheit deutsch ­ russischer Vereinbarungen. Die politische Seite wird durch die folgenden bedeut ­ samen Sätze der Führerrede vom 19. Juli 1940 klar umrissen: „Jede Hoffnung, daß im Vollzug dessen nun eine neue deutsch-russische Span ­ nung eintreten könnte, ist kindisch. Weder tat Deutschland einen Schritt, der es außerhalb seiner Interessengebiete geführt hätte, noch hat Rußland einen solchen getan. Die Hoffnung Englands aber, durch die Herbeiführung irgendeiner neuen europäischen Krise eine Entlastung seiner eigenen Situation erreichen zu können, ist, insoweit es sich um das Verhältnis Deutschlands zu Rußland handelt, ein Trugschluß." Friede im Südosten. Der deutsche Sieg im Westen hat in allen Südoststaaten die Erkenntnis ver ­ mehr!, daß ihr Schicksal ebenso wie das Schicksal des Kontinents überhaupt, in der kommenden Zeitepoche im wesentlichen von den beiden Achsenmächten bestimmt werden wird. Das gilt für Ungarn sowohl wie für Jugoslawien, Bul ­ garien und Rumänien. Auch wenn der heutige Südosten Europas bestimmt etwas ganz anderes ist, als etwa der Balkan in der Epoche vor dem Weltkriege, so blieb er doch einem undurchsichtigen Spiel verschiedenartiger Interessen sehr gern geneigt. Wir erinnern an die viefachen britischen Störungsversuche, denen der eine oder andere Staat nicht mit dem nötigen Nachdruck entgegentrat. So bestand hier ein ständiger Gefahrenherd, dessen Beseitigung im Interesse der Achsenmächte lag. In den Septembertagen wurde nun mit einem Schlage eine friedliche Lösung herbeigeführt. Die alten Streitfälle zwischen Ungarn und Rumänien, zwischen Rußland und Rumänien und schließlich zwischen Bulgarien und Rumänien fanden eine Schlichtung, die jeden weiteren Konfliktstoff beseitigt. Nachdem das Drängen zum Ausgleich immer stürmischer wurde, erfolgte vorerst die Bereinigung der Grenzfragen zwischen Rußland und Rumänien. Ersteres besetzte Bessarabien und die Nordbukowina und erklärte sich zufriedengestellt. Die seit langem laufenden Verhandlungen zwischen Rumänien und Ungarn und Bulgarien gingen nur schlep ­ pend vonstatten und als ein Ausgleich zu scheitern schien, wurden Deutschland und Italien zum Schiedsrichter aufgerufen. Der Wiener Schiedsspruch brachte die Ent ­ scheidung. Rumänien gab Ungarn einen Teil des nach den Pariser Vororteverträgen besetzten Gebietes zurück und trat gleichzeitig die Süddobrudscha an Bulgarien ab. Im Innern Rumäniens vollzog sich unter dem Eindruck dieser Ereignisse eine grundlegende Wandlung. König Karol, der in seiner Politik die englische Richtung vertrat und so sein Land in ständiger Unruhe hielt, dankte ab und sein Sohn Michael übernahm Krone und Herrschaft Rumäniens. Damit fielen die letzten Hindernisse, die einer ruhigen Zukunft des Landes entgegenarbeiteten. Die Türkei, die nach dem Tode ihres großen Führers Atatürk eine sehr schwankende und un ­ heilvolle Politik betrieb, sah sich nach der Niederlage Frankreichs und dem Schwin ­ den der Herrschaft Großbritanniens in eine unangenehme Lage versetzt. Französische Versprechungen hätten die Türkei veranlassen sollen, Aktionen zu unternehmen, die gegen das Reich und Italien gerichtet sein sollten. Nun machen sich die Folgen dieser unnatürlichen Politik unangenehm bemerkbar. Wenn die Türkei nun alles versucht, eine strenge Neutralität einzuhalten, so ist das nurmehr ein halbes Be ­ 268

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