290 Also mußte unbedingt eine neue Wohnung her. Während Schade trübselig durch den Wald schnürte, kam ihm die Witterung des alten Murrjahn in die Nase. „Das wäre was!“ dachte Schade. Bejahrte Dächse pflegen ausgedehnte Baue mit recht viel Notröhren zu haben. Und diese Ausfahrten richten sie nicht nur sehr ver¬ steckt, sondern auch äußerst bequem ein, so daß sie, ohne sich zu zwängen, sofort herausflitzen können. Schade folgte der Fährte und stand bald vor dem Eingangsloch eines gro߬ artigen Baues. Frische Witterung bewies, daß Herr Murrjahn zu Hause war. Vorsichtig schnürte der Fuchs um den Sandhügel herum und fand an einem Steil¬ hang zwischen Wachholdern eine recht bequeme Röhre. Er schliefte hinein und erholte sich zunächst. Dann schuf er sich etwa fünf Meter tiefer einen Kessel, schaffte den Sand hinaus und ging seiner nächtlichen Beschäftigung nach. Durch die gewundenen Gänge des Dachsbaues zieht ständig ein leiser Luft¬ strom, den man als Querzug bezeichnet. Erst dieser ermöglicht dem Bewohner das Atmen auf seinem versteckten Lager. Es ist bekannt, daß nasse Hunde wenig schön riechen. Ein nasser Fuchs aber stinkt. Und dieser häßliche Geruch kam mit dem Luftstrom Murrjahn unter die Nase. Er drehte sich nach links, nach rechts, steckte den Schnuffel unter den Schwanz, es half nichts. Da erhob er sich unwirsch und verstopfte kurzerhand die Röhre zu Schades Notwohnung. Dabei murrte er unverständliches Zeug. Freundlichkeiten waren es gewiß nicht. Abends ging er, wie gewöhnlich, seinem Erwerbe nach. Erst im Morgengrauen kehrte er heim. In der Nähe der Einfahrt auf einer Sandfläche hatte Murrjahn ein heim¬ liches Plätzchen. Bevor er einschliefte, wandelte er gemessen dorthin. Da gab es viele kleine Blatt= und Nadelhäufchen. Sorgfältig und bedächtig wählte Murrjahn ein freies Plätzchen, grub ein Loch und — löste sich. Dann deckte er das Ergebnis wieder mit Sand zu und häufte dürre Blätter daruber. Diese Arbeit verursachte ihm Mi߬ behagen; denn er nieste mehrmals dabei. Man sieht, daß er ein gewaltiger Pedant war. Zuletzt umschritt er seinen Hügel, um die Wohnung zu inspizieren. Den Ein¬ logierer hatte er völlig vergessen. Daher war sein Entsetzen unbeschreiblich, als er in dem lockeren Sande, den Schade hinausbefördert hatte, die Losung frei und un¬ bestattet liegen sah. Murrjahn prallte zurück. Er beschrieb einen größeren Kreis und fand nun auch den Baum, an dem Schade sein Bein zu heben pflegte, bevor er schlafen ging. „Auch das noch!“ murrte er. „Der Unflat hetzt mir sämtliche Hunde und Jäger auf den Hals.“ Dann aber sprang er ab und hoppelte eilfertig in seinen Bau. Das ging jeden Morgen so. Wenn Murrjahn seine Geschäfte erledigt hatte, machte er gewohnheitsmäßig seinen Umgang, und immer fand er neue Losung neben der alten liegen. Von Tag zu Tag schwoll sein Grimm. Schon erwog er, ob er dieverpestete Wohnung verlassen sollte, da fiel an einem Tage voll Schlackschnee häßlichem Regen die Verklüftung. Und nicht allein ein durchdringender Geruch und von Fuchs, sondern auch von Knochen, Federn und dergleichen schlug Murrjahn jäh ins Gesicht. Diesmal rückte er seinem Mieter zu Leibe. Der wollte frech werden. Er keckerte grimmig; aber Murrjahn ließ ein Kichern hören, ein Zeichen höchster Wut. Und ob Schade auch zupackte, störte es den Hausherrn in seiner dicken Schwarte wenig. Der nahm ihn beim Genick, die spitzen Fänge schlugen durch. Schade schrie laut. Er glaubte sein Ende nahe. Allein seiner Gewandtheit gelang es, sich im letzten Augenblick ins Freie zu retten. „So ein Stänker!“ kicherte Murr¬ jahn böse. Dann räumte er auf und warf mit wütenden Griffen seiner Branten Sand und Losung den Steilhang hinab. Zuletzt machte er sich an die Mahlzeitreste
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