283 Die Hauseiche. Erzählung von Rudolf Witzany. Ueber Böhmen kroch der Dreißig=Jahre=Krieg. Wo er hinkam, flammten die Dörfer auf und machten den blanken Herrgottswinkel mit Qualm und Rauch ganz trüb, daß die Sonne nimmer durchsehen konnte. Die Kriegsleut' brandschatzten und soffen, und wo ihnen einer Herberg und Zehrung verwehrte, klopften sie mit dem Biedenhänder an. Da ist ihnen dann immer schnell aufgetan worden. Wer noch Haus und Hof hatte, zitterte und bangte. Wenn er sah, wie dem Nachbarn der rote Hahn das Dach gefressen hatte und die Bauern und Knechtsleut' am Morgen von den kahlen Aesten der Hauslinde baumelten, ließ jeder sein Eigen im Stich, zog als Bettler aus der Heimat und dünkte sich dabei noch ein König, weil er sein Leben behielt. Ja, es war gewiß keine weiche und sanfte Zeit, und von dem vielen Ruß, der aus den niedergebrannten Dörfern dermalen durch die Luft geflogen ist, sind auch die Seelen der Besten grau und finster geworden. Wenn nun ein deutscher Bauer, dem sein Weib bei der Geburt eines toten Kindes starb und das ganze Gesinde auf und davon lief, derweil die Schweden und Franzosen schon gradaus auf den Böhmerwald marschieren, wenn also solch ein Bauer als letzter halsstarrig auf seinem Hof bleibt und auf alles gute Zureden nur dem Kopf beutelt, dann kann er doch gewiß nicht gescheit sein. mit Also dachten auch die Knechte und Mägde, als sie ihren Herrn, den Eichenhof¬ Bauern, der eigentlich Ambrosius Kropfreiter hieß, allein ließen. Mit einem Narren mag wohl kein vernünftiger Mensch etwas anfangen, und wenn der Bauer sich von den Schweden und Franzosen aufhängen lassen wollte, war's seine Sache. Wider seinen Willen konnten sie ja den Herrn nicht mitschleppen. Das waren dann seltsame Tage für den Eichenhofbauern. Wenn er so allein durch den Hof gegangen ist und weit und breit sich nichts gerührt hat, da mag ihm Recht wohl wunderlich genug zumute gewesen sein. Denn er war ja gar nicht verrückt. gut wußte er, warum er hier bleiben mußte, aber er konnt' es doch den anderen agen, nicht sagen, die ihn ja doch nicht verstanden hätten. Er konnte ihnen doch nicht bliebe. daß er hierbleiben mußte, damit die Eiche vorm Hoftor nicht ohne Schutz saßen, Und das kam so: Seit die Eichenhofer da als Freibauern im Böhmerwald ist's 0 stand die alte Hauseiche vor dem Hoftor, die noch der Ahn gepflanzt hatte. Und Herrn von Geschlecht zu Geschlecht gehalten worden, daß der Baum vom jeweiligen denn als heiliges Erbteil angesehen wurde. Sie durfte nicht ohne Schutz bleiben, könnt wenn die Eiche einmal sterben würde, ging es den Deutschen schlecht, und es Vater wohl sein, daß sie herunten im Böhmerwald ganz vergehen würden. Wie der gesagt: des Bauern gestorben ist, hat er's dem Buben noch einmal am Totenbett terben uns die Hauseichen! Wär' gar arg für unser Volk, wenn die Eichen „Hüt müßt' Und wie vor ein paar Wochen die Blätter am starken Baum zu dorren be¬ gannen, war der Bauer vor Schreck ganz krank geworden. Vielleicht ging sie nun ein... Da mußte er aber erst recht bei ihr bleiben und sie hüten bis ganz zuletzt, denn was der Vater am Totenbett gesagt hat, soll nicht in die Luft geredet sein. Er tat, als ob alles noch so wär' wie früher und als ob es auf der ganzen Welt keine Schweden und Franzosen gäbe. Stand jeden Morgen mit der Sonne auf und ging in den Stall, wo die letzte Kuh stand. Die melkte er selber, wie früher immer die Stalldirn getan hatte, und blieb gleich im Stall sitzen und holte ein Trum Brot aus der Tasche; von dem aß er, und die Milch trank er dazu. Nachher ging er dann vors Hoftor, sah blinzelnd nach dem Wetter und drehte sich dann zur Eiche. Fuhr mit der pflugharten Hand über die rissige Rinde. „Hätt's auch nit glaubt, daß grad
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