Jahrbuch des Kreises Steyr 1940

271 Etwa in der oberen Verlängerung des Kremstales gegen das Steyrtal zu, wo einst der Steyrgletscher den mächtigen Seitenarm ins Kremstal entsendet hat, liegt am rechten Steyrufer der liebe, kleine Ort Frrauenstein, und zwar auf einem vom Gletscher flach¬ kuppig abgehobelten Dolomithügel, einem sogenannten Rundhöcker. Nicht weit davon flußabwärts beginnt der langgestreckte, meist smaragdgrüne, jetzt schon arg verschotterte Stau¬ ee und erstreckt sich bis zu dem hohen Staudamm des Elektrizitätswerkes beim Steyr¬ durchbruch, wo der Fluß — ganz ähnlich wie die Enns bei Großraming — den Fels in schmaler, steiler Schlucht durchnagt hat. Das weite, größtenteils von Niederterrassen ausgefüllte Mollner Becken öffnet sich weit der Krummen Steyrling (Breitenau), wo mit Erfolg nach Manganerz in das Tal — sen am Annas¬ früher auch mit geringerem Ergebnis nach Kohle und Ei (Braunstein) ber geschürft worden ist. Recht merkwürdig ist in diesem Gebiet auch das Naturdenkmal g desBodinggrabens, der seinen Namen von sechs hintereinander gestaffelten, tiefen und weiten, vom Wildbach ausgehöhlten Felsenbecken = Bottich) führt. (— „Boding“ Abgesehen von dem schon angeführten westöstlichen Streifen dunkler Triaskalke südlich desMoralmkogels, herrscht der Hauptdolomit zwischen dem Schobersteinzug und dem Sengsengebirge fast ausschließlich vor. Durch Dolomittäler (Garnweith, Hopfing und Misteleben) führt der Weg — längs des oberen Nicklbaches plötzlich steil ansteigend in die herrlichen, von riesigen Fichten parkartig durchsetzten Almböden der Feichtau mit ihren beiden stillen Smaragdaugen, dem großen und dem kleinen Feichtauer See, über denen die Wettersteinkalkabstürze des Hohen Nock wie gegen Norden brandende und plötzlich erstarrte steinerne Wellen stehen. Gegen das Windischgarstner Tal im Süden hingegen fallen die Hänge des Sengsengebirges bedeutend sanfter ab — alles wieder ein Hinweis auf den ungeheuren Süd=Nord=Schub in den Faltungszeiten der Alpen. Eigen¬ an den Karst erinnert die mit Dolinen (Einsturztrichtern) durchsetzte Hochfläche auf dem artig Hohen Nock. Im Sperring fällt der Wettersteinkalk des Sengsengebirges steil gegen den Steyr¬ fluß ab und setzt sich in den scharfgratigen Kamm der Kremsmauern fort, kreuzt bei Grünau das Almtal und endet mit dem Traunstein. Auch das herrliche Almsee¬ gebiet liegt größtenteils im Wettersteinkalk und Wettersteindolomit, im Süden aber schon begrenzt von den Dachsteinkalken des Toten Gebirges. Hier haben die Gletscher der letzten Eiszeit und der Nacheiszeit Endmoränen auf¬ geschüttet und in ihren tonigen, wasserundurchlässigen alten Becken blieben kleine Alpenseen zurück. Der größte davon ist der seichte, kristallklare, meist hellgrüne, vom Röllbach und mehreren unterirdischen Quelltrichtern genährte Almsee. Leider befindet er sich in be¬ ständiger Verlandung, und zwar nicht nur durch die beständige Anschüttung des Grundes, sondern auch durch das außerordentlich üppige Wuchern der Sumpf= und Moorvegetation seines Süd= und Nordufers. Besonders dieses ist vermoost und vertorft, der stetig wachsende Sumpfmoospolster schiebt sich an manchen Stellen weit in den See vor, bricht bei Unwetter teilweise ab und hat so u. a. eine sogar mit etwa 20 Bäumen bestandene schwimmende Insel gebildet, die ihren Standort viel verändert hat. Jetzt aber ist sie, um ein Verlegen des Ausflusses zu vermeiden, verankert worden. Köstliche Forellen und Saiblinge bevölkern das klare Wasser; die Fischerhütte steht wie ein aus Urzeiten übrig gebliebener Pfahlbau am Ostufer unter der Seemauer in den spiegelnden Fluten. „In der Röll“, dem wilden Steiltal gegen die Prielgruppe zu, stand bis vor wenigen Jahren noch eine Anzahl bei¬ nahe tausendjähriger Eiben; hier wurde 1707 der letzte Steinbock Oberösterreichs erlegt. Heute grast auf den Gehängen die „Alpenantilope“, die Gemse, leider an Zahl stark zurückgegangen durch die leidige Gemsräude. Hoch oben aber, wo die Fels= und Steinwüste von kleinen Oasen kurzer, würziger Bergwiesen unterbrochen wird, haust noch das wachsame Murmeltier, und so entlegen sind noch diese Höhen, daß hier die letzten Steinadler vom inneren Ober¬ österreich horsten, und zwar bei der schlanken Schwester des Großen Priel, der prachtvollen Spitzmauer — lebendige Naturdenkmäler. Von der mächtigen Prielgruppe bis zu den burgartigen Jurafelsgipfeln bei Grundlsee und Altaussee dehnt sich in ergreifender Wildheit die Felseneinöde des Toten Gebirges; die Eigenheiten des Kalkhochgebirges sind hier dem Karstcharakter ver¬ mählt: massige und zackige steile Felsmauern wechseln mit ausgedehnten, meist gänzlich wasserlosen Karrenfeldern, jenen von Rillen, Trichtern und Schründen durchfurchten, von zahllosen, oft sehr scharfen Felskanten und =leisten durchsetzten Gebieten. Wild zerklüftet und durch die Niederschläge oft zu abenteuerlichen Formen verwittert, sieht hier der Kalk aus, wie von furchtbaren Säuren zerfressen.

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