Jahrbuch des Kreises Steyr 1940

205 In Ueber Marxrieser wurden viele Anzeigen an den Sicherheitsdirektor geschickt. einer hieß es, daß Marxrieser von allen zehn Wirten in Losenstein das meiste Strom¬ geld für Licht bei der Genossenschaft zu zahlen habe, was beweise, daß viele nächtliche Naziversammlungen bei ihm stattfänden. Die Anzeiger waren der Wirt und Obmann der Lichtgenossenschaft Ludwig Daucher und der Kassier Ferdinand Kargl. Am 13. November kam ein Gendarm zu Marxrieser und sagte, beim Sicherheits¬ direktor sei angezeigt worden, daß bei ihm auffallend viele Professoren und Ingenieure verkehren und daß in seinem Extrazimmer ein Hitlerbild hängen soll. Bei der Gesangübung am 18. November waren 14 Personen anwesend. Um 10 Uhr erschienen plötzlich Gendarmen und schrieben alle Anwesenden auf. Auch am 25. kon¬ trollierte die Gendarmerie die Sängerrunde. Die „Steyrer Zeitung" brachte am 19. abermals einen Artikel über das „Braune Haus“ „Unsere Nazi als Maler. Letzten Donnerstag haben unsere Nazi dafür gesorgt, daß alle Losensteiner den Beweis vor Augen haben, daß auch die hiesigen Nazi etwas von Malerei verstehen — so, wie ihr höchster Herr und Gebieter. Ein paar hundert Hakenkreuze und allerlei Sprüche wurden auf Straßenrandsteinen und Böschungs¬ mauern, Telegraphenstangen, Lichtmasten, Hausmauern, Scheunen, Bäumen, Brücken¬ pfeilern am Ennskai usw. aufgeklebt; sogar eine Felswand wurde mit einem Haken¬ kreuz verschmiert. Der Zweck istvklar: man will die Bundesregierung lächerlich machen. Das Sprichwort sagt zwar: „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände.' Aber warum ja für sollen die Nazi nicht auch Hakenkreuze malen? In einigen Häusern wurde eine ausgiebige Jause gesorgt und man fühlt sich auch sonst in Losenstein sehr sicher. Während in anderen Orten die Schmierfinken hinter Schloß und Riegel gesetzt wur¬ den, ist bis jetzt keinem Losensteiner Nazi ein Haar gekrümmt worden. Flugzettel konnten letzten Sonntag ungehindert in Mengen verteilt werden, während solche glei¬ chen Inhalts in den Nachbarorten beschlagnahmt wurden. Jedenfalls sind auch die zu¬ ständigen Stellen der an sich richtigen Ansicht,“ daß man die verhetzten Nazibürscherl gewähren lassen müsse, so lange die Haupthetzer nicht zur Verantwortung gezogen werden und weiter im Staatsdienste verbleiben können. Ueber kurz oder lang wird auch diesen braunen Bolschewiken das Handwerk gründlich gelegt werden müssen.“ Mit den Staatsbediensteten meinte der Artikelschreiber den Bahnvorstand Alois Mit¬ teregger und den Ingenieur der Wildbachverbauung Georg Danninger. Mitteregger kam dann auch zweimal nach Wöllersdorf. Am 20. November fand im Hause des Klerikalen Karl Vögerl eine Hausdurch¬ suchung statt. Bei seinem Lehrling Hofmacher wurden nat.=soz. Flugblätter gefunden. Hofmacher gestand, solche zweimal von Marxrieser erhalten zu haben und erhielt dafür sieben Tage Arrest. Marxrieser erhielt auch sieben Tage Arrest und 70 S Geldstrafe. Am 22. fanden bei Marxrieser und dem Bauer Karl Buder Hausdurchsuchungen statt. Bei Marxrieser wurde gründlich gesucht, aber nichts als eine Pfauenfeder be¬ beschlagnahmt, welche seinen Hut (als Ersatz für eine Habichtfeder) schmückte. Beim Bauer fand man einen halben Flugzettel, welcher dem Pg. Josef Hagauer gehörte. Er bekam drei Tage Arrest und 3 S Geldstrafe. Marxrieser wurde auch angezeigt, weil in seinem Gasthause öffentlich die verbo¬ tenendeutschen Radiosendungen gehört wurden. Die „Vaterländer“ sagten, daß in Losenstein keine Ruhe sein werde, bevor nicht Marxrieser ein halbes Jahr nach Wöllersdorf komme und das „Braune Haus“ ge¬ sperrt werde. Am 12. Dezember wurde in der Nähe des Gendarmeriepostens auf der Gemeinde¬ wiese ein großes Hakenkreuzfeuer abgebrannt. Erwischt wurde niemand. —ohne Am 16. wurde bei Marxrieser wieder eine Hausdurchsuchung vorgenommen Erfolg, denn Marxrieser hatte so gute Verstecke angelegt, daß nie etwas gefunden wer¬ den konnte. Die wichtigsten kleinen Befehle und Schriften trug seine Frau immer an

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2